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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Brodka nicht damit rechnen, in einer Millionenstadt wie Rom binnen zweier Tage den passenden Tresor für einen Schlüssel zu finden. Die einzige Chance, ans Ziel zu gelangen, bestehe darin, das Umfeld Arnolfo Carraccis zu erkunden.
    Brodka pflichtete Juliette bei. Sie beschlossen, einen letzten Versuch zu machen und die Schließfächer in Statione Termini, dem Hauptbahnhof Roms, in Augenschein zu nehmen.
    Doch auch diese letzte Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase. Entmutigt schlenderten sie in Richtung Piazza della Repubblica, um in einer Seitenstraße etwas zu essen und zu überlegen, wie sie weiter vorgehen sollten.
    Auf der Suche nach einer Trattoria stießen sie nahe der Via Torrino auf einen kleinen finsteren Laden mit der Aufschrift ›Servizio chiavi‹, Schlüsseldienst.
    Brodka und Juliette schauten sich an. Beide hatten den gleichen Gedanken.
    Der Schlüsselladen war zehn Meter lang, aber kaum breiter als zwei Meter, und an den Wänden hingen Tausende Schlüssel. Zwei Neonröhren an der hohen Decke tauchten den Laden in ein fahles, kaltes Licht.
    Hustend und rotzend tauchte aus dem Hintergrund ein Mann im grauen Kittel auf. Er war von mittlerem Alter und kleiner Statur und trug eine dicke Hornbrille auf der Nase, über deren oberen Rand er hinwegblickte. Was er für sie tun könne?
    Brodka hielt dem Mann den doppelbärtigen Schlüssel hin und fragte, ob er eine Ahnung habe, wohin dieser gehöre.
    Zuerst musterte der Schlosser Brodka von oben bis unten; dann warf er einen mißtrauischen Blick auf Juliette. Schließlich aber wandte er sich dem Schlüssel zu, drehte ihn nach allen Seiten, hielt ihn gegen das Licht und fragt schließlich mit heiserer Stimme wie ein sardischer Hirte: »Warum wollen Sie das wissen, Signore? Es ist doch Ihr Schlüssel, oder? Also müssen Sie doch wissen, wo er paßt!«
    Brodka tat verlegen und erzählte dem Mann die Geschichte, die er sich zuvor gemeinsam mit Juliette zurechtgelegt hatte: »Wissen Sie, Signore, ein enger Verwandter von uns ist gestorben, hier in Rom, und wir haben in seinem Nachlaß diesen Schlüssel gefunden. Wir vermuten, daß er irgendwo in der Stadt ein Schließfach besitzt.« Er lächelte. »Vielleicht sind wir reich und wissen noch gar nichts davon.«
    Der kleine Scherz gefiel dem Schlosser, und seine mißtrauische Miene hellte sich auf. Abermals hielt er den Schlüssel in die Höhe, um die Bartzacken zu betrachten; dann suchte er unter den tausend Schlüsseln an der Wand nach einem Vergleichsstück. Als er nicht fündig wurde, meinte er: »Das ist ein ziemlich simples Tresorschloß, wissen Sie. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es sich um ein Bankschließfach handelt. Das Schloß stammt aus den fünfziger Jahren. Schwer zu sagen.«
    »Sie meinen also, es könnte sich um einen altmodischen Privattresor handeln?« fragte Brodka, der seine Felle davonschwimmen sah.
    »Das glaube ich nicht, Signore, es ist ohne Zweifel ein Systemschlüssel.«
    »Das heißt?«
    »Das heißt, es gibt mehrere Schließfächer, deren Schlüssel sich nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Sehen Sie, hier.« Er zeigte auf die Zacken des Doppelbartes. »Damit können Sie 3 mal 3 ist 9, mal 9 ist 81 Schlösser variieren. Es handelt sich also vermutlich um eine kleine Schließfachanlage. Nimmt man hinzu, daß es ein eher einfaches Schloß ist, dürfte es sich um einen Schlüssel für einen Hotelsafe oder für die Schließfächer einer Firma handeln. Nein, keine Bank der Welt könnte sich noch solche Safes erlauben – schon wegen der Versicherung. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
    Brodka schob dem Schlosser einen Schein hin und bedankte sich. »Sie haben uns sehr geholfen.«
    Eine Trattoria mit Namen ›Da Giovanni‹, einen Straßenzug weiter, bot Brodka und Juliette Gelegenheit, die neuen Erkenntnisse zu erörtern. Die aber waren nicht gerade dazu geeignet, ihre Stimmung zu heben.
    Zwar wußten sie jetzt, daß Arnolfo Carracci kein Bankschließfach in Anspruch genommen hatte und daß der Tresor oder das Schließfach nicht über die besten Sicherheitsvorkehrungen verfügte; aber das half ihnen auch nicht viel weiter.
    Ein Hotelsafe, meinte Juliette, scheide in Anbetracht der Lebensumstände des Hausdieners aus. Vermutlich habe er nicht eine einzige Nacht seines arbeitsreichen Lebens in einem Hotel verbracht. Daß es sich um die Personalschließfächer einer Firma handeln könnte, schien eher wahrscheinlich. Doch zu welcher Firma oder Institution pflegte Arnolfo

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