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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gleichgültigkeit, so wie sie es sich vorgenommen
hatte, betrat Juliette das Archiv und steuerte schließlich auf Claudio
Sotero zu, den sie allerdings erst auf den zweiten Blick erkannte, denn
er hatte sein langes, im Nacken zusammengebundenes Haar einer extremen
Kurzhaarfrisur geopfert.
    Claudio erschrak, als er Juliette sah, und blieb wie angewurzelt vor einem Bildschirm sitzen.
    Juliette grüßte höflich. So als wäre nichts zwischen ihnen gewesen,
sagte sie: »Ich habe eine Bitte. Die sieben Namen auf diesem Zettel
haben vermutlich allesamt eine historische Bedeutung. Könntest du mir
weiterhelfen?« Dabei schob sie Claudio den Zettel hin.
    Claudio, der nun viel älter aussah, als Juliette ihn in Erinnerung
hatte, starrte sie immer noch an und wagte nicht zu antworten.
    »Hast du nicht verstanden?« sagte Juliette laut und nachdrücklich,
daß es auch die anderen Archivare hörten und aufmerksam wurden.
    Da erhob er sich, trat ganz nahe an sie heran und flüsterte:
»Giulietta, es tut mir so leid! Ich weiß, mein Benehmen ist
unentschuldbar. Bitte, laß dir erklären …«
    »Ich bin nicht hier, um Entschuldigungen anzunehmen oder alte
Rechnungen zu begleichen«, erwiderte Juliette kühl. »Ich brauche eine
Auskunft. Die Sache ist wichtig. Außerdem habe ich es eilig.«
    Claudio entgegnete im Flüsterton: »Ich verstehe ja, daß du wütend
auf mich bist und weiß, daß ich alles kaputtgemacht habe; aber laß mich
wenigstens erklären, wie es dazu kam.«
    »Die einzige Erklärung, die mich interessiert, ist die Bedeutung
dieser Namen. Wenn du nicht bereit bist, mir weiterzuhelfen, versuche
ich's bei einem deiner Kollegen.«
    »Nein, nein, Giulietta!« Claudio wischte sich mit dem Ärmel über die
Stirn, als wäre er bei der kurzen Unterhaltung ins Schwitzen gekommen.
Dann nahm er den Zettel und gab die einzelnen Namen in seinen Computer
ein. Doch nach jedem Namen folgte ein Kopfschütteln.
    Nur bei Moloch und Nergal wurde er fündig. »Zwei Götter aus dem alten Orient, ein phönizischer und ein babylonischer.«
    »Und die übrigen?« fragte Juliette.
    »Keines von unseren historischen Nachschlagewerken führt diese Namen auf. Aber wenn es sie gibt, werde ich sie finden.«
    Claudio bearbeitete die Tastatur seines Computers wie ein Besessener und klickte sich von einem Speziallexikon zum nächsten.
    Als würde sie die Sache nichts angehen, begab Juliette sich zu einem
Kaffeeautomaten im Gang und besorgte sich einen Cappuccino im
Pappbecher. Als sie ins Archiv zurückkehrte, fiel ihr sofort Claudios
strahlendes Gesicht auf.
    »Volltreffer!« rief er ihr schon von weitem zu. »Alle Namen sind in
einem alten Lexikon der Magie aufgeführt. Es sagt nicht viel über sie
aus, aber immerhin. Eine seltsame Gesellschaft!«
    Er schob Juliette einen Zettel hin, und sie las staunend:

Belphegor  
›der mit der schönen Gestalt‹, ein Dämon, den der Überlieferung nach die Templer in geheimen Riten verehrten
Asmodeus  
Teufel der Wollust, Sinnlichkeit und des Luxus in der jüdischen Tradition
Moloch  
der alles verschlingende Gott der Phönizier und Kanaaniter, ein Fürst der Hölle
Adrammelech
Götze der Samariter, dem Kinder geopfert wurden
Lilith  
erste Frau Adams, von Gott aus Dreck und Schlamm geschaffen, ursprünglich geflügelte assyrische Dämonin
Baalzebuth  
›der Herr der Fliegen‹, eigentlich ein Gott der Philister, im Mittelalter als oberster Teufel der Hölle angesehen
Nergal  
der Geduckte, Herr des Krieges, der Pest, der Flut und der Zerstörung, ursprünglich babylonischer Gott der Unterwelt
Belial  
›der Wertlose‹, Herr der Lügen, spricht mit täuschend sanfter Zunge
    »Mein Gott«, murmelte Juliette geistesabwesend.
    Claudio blickte zu ihr auf. »Also, mit Gott hat das wenig zu tun. Es sind alles Teufel.«
    Juliette bedankte sich förmlich, als wären sie sich
völlig fremd, und fragte provozierend: »Was bin ich für die Auskunft
schuldig?«
    Die Frage kränkte Claudio, und er blickte zornig und betroffen zu Boden, ohne zu antworten.
    Juliette wandte sich um und ging.
    Doch kaum war sie am Ausgang des ›Messaggero‹
angelangt, hatte Claudio sie eingeholt. Er stellte sich ihr in den Weg
und redete heftig auf sie ein. »Ich weiß, Giulietta, du hast allen
Grund, mich so zu behandeln. Aber laß dir bitte erklären, wie es dazu
kam. Das macht die peinliche Begegnung zwar nicht ungeschehen, aber
vielleicht kannst du mir dann doch noch verzeihen. Bitte!«
    Juliette versuchte sich an Claudio

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