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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Hotelhalle zurück. Seine Hände zitterten, als er in die Tasten griff und ›As Time Goes By ‹ spielte.
    In Rom saßen zur selben Zeit gut hundert Jahre Gefängnis und mindestens viermal die ewige Verdammnis um einen großen runden Tisch. Dieser Tisch, der mit grünem Tuch belegt und von einer tief hängenden, schüsselförmigen Lampe beleuchtet war, stand im Keller einer im Stadtteil Trastevere gelegenen Pizzeria – jedenfalls konnte man das auf einem unauffälligen Schild über dem Schaufenster lesen.
    Mit seinen Stühlen und Tischen aus Plastik in dem schlauchförmigen Raum und der grellweißen Neonbeleuchtung an der Decke wirkte das Lokal nicht gerade einladend, was aber durchaus beabsichtigt war. Verirrte sich nämlich wirklich mal ein Gast in das Etablissement, um seinen Hunger zu stillen, wurde er von dem einzigen Ober, der obendrein die Funktion des Pizzabäckers bekleidete, äußerst lustlos, ja rüde bedient und darauf aufmerksam gemacht, daß das gewünschte Essen einer Zubereitungszeit von einer Stunde bedürfe, worauf die meisten Gäste enttäuscht das Weite suchten.
    Die Pizzeria, zwei Straßenzüge vom Tiber entfernt, war lediglich die legale Fassade für illegale Machenschaften, die im weitverzweigten Kellergeschoß des schmalbrüstigen Hauses vonstatten gingen; aber selbst die Bewohner der Straße, von denen beinahe jeder jeden kannte, und denen kein Gerücht zu absurd erschien, um es nicht zu verbreiten – eine Eigenschaft, die viele Bewohner von Trastevere überhaupt erst am Leben erhält –, selbst diese Leute wußten nicht genau zu sagen, was sich hinter dem Pizzaofen abspielte, hinter dem die wenigen Gäste des Lokals verschwanden.
    Signora Blatter vom vierten Stock gegenüber, seit dem Tod ihres Mannes, eines Südtiroler Gastwirts, in der Hauptsache damit beschäftigt, großformatige Todesanzeigen an die Hauswände des Stadtviertels zu kleben, behauptete sogar, in der Pizzeria gehe es nicht mit rechten Dingen zu. Menschen, die in dem Lokal verschwanden, hätten das Haus nie wieder verlassen; andere hätten es verlassen, ohne es jemals betreten zu haben, darunter ein leibhaftiger Kardinal aus dem Vatikan – bei allen Heiligen, sie habe ihn erkannt.
    In keiner Stadt der Welt gibt es so viele Wunder wie in Rom, was daran liegen mag, daß der Glaube, der hier verwaltet wird, ein Wunderglaube ist; jedenfalls erschienen die Erzählungen der Signora Blatter nicht wundersam genug, um ihnen Glauben zu schenken, obwohl sie der Wahrheit entsprachen.
    Im Keller der unscheinbaren Pizzeria verbarg sich ein zwielichtiger Spielklub, in dem allabendlich Millionen umgesetzt wurden. Hier wurde Bruchgeld und Schwarzgeld verzockt, aber auch Sünden- und Spendengeld aus dem nahen Vatikan.
    Der Vorteil der Einrichtung lag in dem weitverzweigten Gemäuer des Untergeschosses, eine Hinterlassenschaft der frühen Christen, welche die Möglichkeit bot, das Haus durch einen Hofausgang zwei Straßenzüge weiter zu verlassen.
    Der Ober in der Pizzeria erschrak, als der kleine Mann mit weißem Haarkranz kurz vor Mitternacht das Lokal betrat. Er war wie alle Gäste, die hinter dem Pizzaofen verschwanden, korrekt gekleidet, gut rasiert, von sicherem Auftreten und wußte Bescheid. Dennoch zeigte der Ober sich überrascht und stammelte: »Assassino!«
    »Für dich immer noch Giuseppe Palmezzano«, entgegnete der kleine Mann barsch. »Da staunst du, was?«
    »Ja, da staune ich«, meinte der Ober. »Wie lange ist das her, Signore Palmezzano?«
    »Fünfzehn Jahre«, antwortete Palmezzano. Als der Ober sich ihm mit einem Anflug von Todesverachtung in den Weg stellte, schob Giuseppe ihn mit dem linken Arm und den Worten beiseite: » Permesso , Signore.«
    Der Ober war kräftig und wollte ihn daran hindern, in das Untergeschoß des Gebäudes vorzudringen, doch ein Blick Palmezzanos genügte, und er ließ ihn gewähren.
    Von den Wänden der Treppe, die nach unten führte, blätterte die Farbe. Palmezzano erinnerte sich, es war die gleiche türkise Farbe wie vor seinem Gefängnisaufenthalt. Der Vorraum im Keller, von dem vier Türen in alle Richtungen führten, war in dumpfem Rot gehalten und strahlte den plüschigen Charme eines Vorstadtbordells aus.
    Einen Augenblick zeigte Palmezzano sich irritiert und fragte sich, welche Tür er wählen sollte; dann aber vernahm er eine dezente Lautsprecherstimme – offenbar wurde der Raum von Videokameras überwacht –, und die Stimme des Obers sagte: »Links, Signore

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