Purpurschatten
Papier, setzte mit vorgehaltener Hand eine Zahl ein und seine Unterschrift darunter. Dann legte er das Papier auf das bereitliegende Geldbündel und schob beides zur Tischmitte hin.
»Ich halte mit«, sagte er und zog die Augenbrauen so hoch, daß sie einen Halbkreis bildeten. »Und leg' noch zehntausend drauf.«
Ohne eine Regung zog der Kardinal seinen Ring vom Finger und legte ihn auf Palmezzanos Wechsel. »Der ist für zehntausend gut«, sagte er. »Zeigen!«
Für den Bruchteil einer Sekunde wich das Pokergesicht einem triumphierenden Lächeln, als Palmezzano seine Karten aufdeckte: Drei Asse, zwei Könige. » Full House.«
Der Kardinalstaatssekretär schien die kurze Zeit der Unsicherheit zu genießen. Dann legte er nacheinander die Karten auf den Tisch – Zehn, Bube, Dame, König, As – und grinste unverschämt.
»Fünfmal Herz. Royal Flush .«
Palmezzano saß da wie gelähmt. Nur seine Augen flackerten unruhig zwischen Smolenski und den vor ihm liegenden Karten hin und her.
Als hätte ihn ein Blitz getroffen, schnellte plötzlich Palmezzanos Rechte zu Smolenskis linkem Unterarm und drehte ihn mit derselben Geschicklichkeit wie zuvor nach außen. Und dabei geschah etwas Unfaßbares: Aus dem Ärmel von Smolenskis schwarzem Anzug glitten drei weitere Spielkarten hervor.
Noch bevor Smolenski die Karten verbergen konnte, griff Palmezzano mit der anderen Hand zu, zog die Karten aus dem Ärmel und klatschte sie auf den Tisch.
Palmezzano schnalzte mit der Zunge gegen den Gaumen, schüttelte den Kopf und sagte: »Aber, aber, tut ein anständiger Kardinal so etwas?«
Für Sekunden herrschte gespannte Stille. Der rötliche Kopf des Kardinals hatte sich bereits bläulich verfärbt. Anastasia war hinter Smolenski einen Schritt zurückgetreten, weil sie wohl glaubte, dieser würde sogleich aufspringen und sich auf Palmezzano stürzen. Die beiden anderen Mitspieler, von denen bisher keiner ein Wort verloren hatte, glotzten in geduckter Haltung; die Vermutung lag nahe, daß ein jeder im nächsten Augenblick eine Waffe ziehen würde.
Aber nichts dergleichen geschah. Statt dessen beugte Palmezzano sich über den Tisch und raffte mit beiden Armen alles Geld an sich. Obwohl es sich um sehr viel Geld handelte, legte er dabei eine erstaunliche Ruhe an den Tag. Nachdem er die Geldbündel geglättet und gestapelt hatte, meinte er, wobei er sich den Ring ansteckte und ihn am Ärmel polierte: »Es bedarf wohl keiner Diskussion, wem das alles zusteht. Denn hättest du die besseren Karten gehabt, wäre es wohl nicht nötig gewesen, falsch zu spielen. Tut mir leid.«
Dann erhob er sich, sackte die Dollarnoten in alle verfügbaren Taschen seines Anzugs und verließ den Spielsalon auf demselben Weg, den er gekommen war. Allerdings um hunderttausend Dollar reicher – und um einen echten Kardinalsring mit falschen Steinen.
Was den Beruf des Museumsdieners von anderen Berufen unterscheidet, ist die lebenslange Bindung, in der Bewacher und Objekt sich befinden. Ein Wärter, der seinen Beruf ernst nimmt, verbringt in der Regel mehr Zeit seines Lebens mit einem Gemälde als mit der eigenen Frau. Dies mag auch der Grund sein, warum Museumsdiener meist unverheiratet und im übrigen ein wenig merkwürdig sind.
Es ist keine Seltenheit, daß die Wächter der Kunst sich in eine Skulptur oder ein Gemälde verlieben; jedenfalls kennen sie ihr Bewachungsobjekt aus jahrzehntelanger Anschauung häufig besser als jene, die sich in klugen Büchern darüber auslassen.
Bruno Meinardi, dessen dichtes Kraushaar sich in 61 Lebensjahren vom schwärzesten Schwarz in Schlohweiß verwandelt und ihm das Aussehen eines weisen Mannes verliehen hatte, zählte zu diesen Museumswächtern. Bruno, der aus der weniger vornehmen Gegend um Pozzuoli stammte und als Sohn eines Korallenschleifers davon geträumt hatte, ein zweiter Raffael zu werden, mußte sich mit vierzehn, als es darum ging, eine Schule zu besuchen, den Gegebenheiten einer kinderreichen Familie anpassen und eine Lehre als Schildermaler antreten, welche, wenn sie auch kein Geld einbrachte, zumindest keine Kosten für den Ältesten verursachte.
Brunos Traum von Raffael II. endete schließlich bei seinem Onkel Luigi, den heute längst geweihte Erde bedeckte. Damals besaß Onkel Luigi in Rom eine kleine Paramentenstickerei und hatte deshalb gute Kontakte zur hohen Geistlichkeit, die seinem Neffen eine Anstellung in den Vatikanischen Museen verschaffte – schlecht bezahlt zwar, aber von hohem
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