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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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prüfen?«
    »Ja«, antwortete Brodka knapp.
    »Mach dich nicht lustig über diesen Mann!«
    »Ich mach' mich nicht über ihn lustig. Ich denke an etwas ganz anderes. Wenn er Rom besser kennt als jeder Römer, kennt er vielleicht auch den Glockenklang der verschiedenen Kirchen.«
    »Du denkst an die Telefonkassette«, meinte Juliette skeptisch. »Na ja, es ist einen Versuch wert, und Sperling hat mir ja schließlich seine Hilfe angeboten. Soll ich ihn an unseren Tisch bitten? Er ist sicher ein unterhaltsamer Zeitgenosse, obwohl man bei Schriftstellern vorsichtig sein muß. Die meisten halten sich für eine Reinkarnation Goethes und drehen jedes Wort dreimal im Mund um, bevor sie es ausspucken – und dann wollen sie auch noch Geld dafür.«
    »Du scheinst mit dieser Zunft schlechte Erfahrungen gemacht zu haben!« Brodka lachte.
    »So ist es.«
    »Warum hast du mir nie davon erzählt?«
    »Ach, das war lange vor deiner Zeit. Er behauptete, ich wäre seine Muse, die ihn beflügelte – vor allem wenn ich Strapse trug.«
    »Und? Hat's genützt?«
    Juliette blickte verschämt auf die Tischplatte; dann mußte sie doch grinsen. »Weder ihm noch mir.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Willst du es wirklich wissen?« Juliette hielt ihr Lachen zurück. »Ich habe gehört, daß er jetzt als Flamenco-Tänzer auf Mallorca arbeitet.«
    »Dann hat er jetzt wenigstens einen vernünftigen Beruf«, sagte Brodka, und beide lachten herzhaft.
    »Was ist nun?« fragte Juliette dann. »Soll ich Sperling an unseren Tisch bitten?«
    »Klar«, sagte Brodka. »Bei seiner Figur haben wir eines schon mal nicht zu befürchten: daß er Flamenco tanzt.«
    Juliette ging zu Sperling hinüber.
    Der Schriftsteller erwies sich als faszinierender Mann, dessen langsame Bewegungen, bedingt durch seine Leibesfülle, in krassem Gegensatz zu seinem blitzschnellen Verstand standen. Dabei entschuldigte er sich, er sei noch gar nicht wach; er sei nämlich gerade erst aufgestanden. Richtig reden könne man erst mit ihm, nachdem er einen ausgiebigen Spaziergang gemacht habe.
    Was Brodkas Anliegen betraf, so meinte Sperling entschuldigend, er habe zwar den Klang von ein paar Dutzend Kirchenglocken im Gedächtnis, aber alle kenne er gewiß nicht. Trotzdem wolle er sich die Aufnahme gern anhören. Er könne Brodka und Juliette ja zu ihrem Hotel begleiten, da er ohnehin einen längeren Spaziergang machen wollte; außerdem sei es ein milder Abend. So machten sie sich zu dritt auf den Weg zum Albergo Waterloo.
    Sie überquerten den Tiber auf dem Ponte Umberto, vorbei an der Piazza Cavour, und ließen das Teatro Adriano hinter sich. Brodka und Juliette waren erstaunt, mit welcher Ausdauer der schwergewichtige Mann voranschritt.
    Im Zimmer ihrer Pension spielte Brodka Sperling das Band vor.
    Sperling nahm in dem Sessel Platz, faltete die Hände über dem Bauch und machte sich auf eine schwierige, wenn nicht unlösbare Aufgabe gefaßt. Doch schon beim erstenmal fuhr er aus seinem Sessel hoch und rief triumphierend: »Das sind unverkennbar die Glocken von San Zeno!«
    Brodka und Juliette schauten sich verwundert an.
    »Sind Sie sicher?« fragte Brodka zögernd.
    »Ganz sicher«, entgegnete Sperling.
    »Und wo liegt San Zeno?«
    »Gar nicht weit von hier.« Er trat ans Fenster und blickte über die nächtliche Stadt. »Etwa auf halbem Weg zwischen der Piazza Mazzini und der Engelsburg. Eine merkwürdige Bandaufnahme ist das.«
    »Ja, äußerst merkwürdig.« Brodka lächelte verlegen. »Sie möchten natürlich wissen, worum es sich hier handelt …?«
    »Aber ich bitte Sie!« Sperling hob beide Hände. »Das ist Ihre Angelegenheit. Wenn ich Ihnen behilflich sein konnte, war es mir ein Vergnügen.«
    Sperling verabschiedete sich, und Juliette versprach, sich in den nächsten Tagen mit einer Einladung zum Essen für seine Hilfe zu revanchieren.
    Brodka brachte Sperling nach unten. Als er in ihr Zimmer zurückkehrte, atmete er tief durch.
    »Ich glaube, was Schriftsteller betrifft, mußt du deine Meinung ändern. Dieser Sperling ist jedenfalls ein feiner Kerl.«
    »Finde ich auch.« Juliette war über einen Stadtplan gebeugt damit beschäftigt, die Kirche San Zeno ausfindig zu machen. Plötzlich stach sie mit dem Finger auf die Karte: »Da! San Zeno.«
    Nachdem Brodka die Lage der Kirche begutachtet und die Entfernungen verglichen hatte, kam er zu dem Schluß: »Irgendwo im Umkreis von etwa fünfhundert Metern muß sich die Wohnung dieses Asmodeus befinden.« Er zog mit

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