Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
einem Bleistift einen Kreis um die betreffende Stelle.
    Die Köpfe auf ihre Hände gestützt, blickten Brodka und Juliette auf den magischen Kreis und lasen nichtssagende Straßennamen.
    Plötzlich hielt Juliette inne. »Wo ist die Zeitung mit dem Bericht über das Auto des Kardinals, das explodiert ist?«
    Brodka kramte die Zeitung hervor, und Juliette überflog den Artikel. Dann blickte sie auf den Stadtplan.
    »Brodka«, sagte sie leise, »der Wagen von Kardinalstaatssekretär Smolenski war in der Via Certosa geparkt. Und wo ist die Via Certosa? Einen Straßenzug von San Zeno entfernt. Hier!«
    »Du hast recht, Juliette.«
    »Glaubst du an einen Zufall?«
    »Kaum.« Brodka schüttelte den Kopf. »Das würde bedeuten. Kardinalstaatssekretär Smolenski und Asmodeus sind ein und dieselbe Person …«

K APITEL 12
    Der Mann, der in der Via Banco Santo Spirito auf den Klingelknopf drückte, machte einen verwahrlosten Eindruck. Seine spärlichen Haare klebten strähnig im Nacken, und das auffallend rote Gesicht hatte seit mehreren Tagen kein Wasser gesehen. Über seiner Schulter hing eine vollgestopfte Reisetasche.
    Ein junger, arroganter Hausdiener öffnete und wollte beim Anblick des Fremden die Tür zuschlagen, doch der Mann stemmte seinen Fuß dagegen und sagte: »Melde mich bei Signora Anastasia. Sag ihr, daß ihr Neffe gekommen ist.«
    Der Diener musterte den unbekannten Besucher argwöhnisch, ließ ihn dann aber ein und forderte ihn auf, in der Halle zu warten.
    Titus vernahm Anastasias Stimme schon von weitem. Auch daß sie schimpfte und nicht gerade bester Laune war.
    In einem schwarzen Morgenmantel mit roter Knopfleiste erschien Anastasia Fasolino auf dem oberen Treppenabsatz. Ihr Haar war wirr und ungepflegt. Sie warf Titus, der unten in der Halle stand, einen wütenden Blick zu und rief mit lauter Stimme, daß es durchs ganze Haus hallte: »Ah, der Herr Neffe läßt sich wieder einmal blicken. Bist wohl pleite, eh?«
    Ohne Titus aus den Augen zu lassen, schritt Anastasia die weite Treppe hinunter und trat vor ihren Neffen hin.
    Der machte einen Kniefall und küßte in dieser Haltung Anastasias Rechte; dann erhob er sich. Er wollte antworten, doch bevor er dazu kam, meinte die Signora: »Um Himmels willen, wie siehst du aus! Hast du die Nacht auf einer Müllkippe verbracht?«
    Titus nickte. »So was ähnliches. Ich bin mit einem Gemüse-Laster von Florenz hierher gekommen. Und davor hat mich ein Auto-Transporter aus München mitgenommen. Insgesamt siebzehn Stunden.«
    »Konntest du dir denn keinen Zug leisten?« Anastasia legte die Stirn in Falten.
    »Nein«, erwiderte Titus. »Ich habe keine Lira mehr.«
    Anastasia musterte den Neffen vom Scheitel bis zur Sohle, wobei sie kopfschüttelnd um ihn herum ging. »Wußte ich's doch«, meinte sie schließlich und blieb hinter ihm stehen. »Du stinkst wie eine Müllhalde. Ab ins Bad mit dir, ins Personalbad natürlich. Dann reden wir weiter.«
    Titus nahm seine Reisetasche und verschwand durch eine Seitentür.
    Anastasia ging zum Telefon und wählte eine Nummer.
    »Lilith für Asmodeus.«
    Und nach einer Pause: »Weißt du, wer bei mir ist. Mein Neffe! Stinkend, verkommen und ohne eine Lira in der Tasche.«
    Ohne es zu wollen, wurde Alberto Fasolino Zeuge des Telefongesprächs. Er kam gerade aus dem Ankleidezimmer und vernahm, wie seine Frau Anastasia über ihren Neffen herzog.
    »Was soll ich mit dem Kerl anfangen? Hier kann er jedenfalls nicht bleiben.« Sie lauschte in den Hörer. »Gut. Wie du willst.«
    Dann legte sie auf.
    Wie stets an warmen, aber nicht zu heißen Tagen wurde das Frühstück im malerischen Innenhof des Hauses eingenommen, und wie stets erschien Anastasia in ihrem schwarzen, rotgeknöpften Morgenmantel, während Alberto sich korrekt gekleidet zu Tisch setzte.
    »Irre ich mich, oder habe ich die Stimme deines Neffen erkannt?« fragte Alberto Fasolino scheinheilig.
    »Du irrst dich nicht«, erwiderte Anastasia, und wie auf ein Kommando erschien Titus frisch geduscht und rasiert und mit hochrotem Kopf.
    »Sieh da, der Herr Neffe!« rief Fasolino zynisch. »Was suchst du denn hier?«
    Titus begrüßte Fasolino höflich, vermied es aber, auf dessen Frage zu antworten.
    »Schon gut«, meinte Anastasia, während sie ein Stück Weißbrot in ihre bauchige Tasse mit Milchkaffee tunkte. Und an Titus gewandt: »Ich habe mit Smolenski telefoniert und ihm gesagt, daß du hier bist.«
    »Und?« erkundigte der Neffe sich vorsichtig. »Wie hat er

Weitere Kostenlose Bücher