Purpurschatten
purpurnen Kardinalstracht hätte größer nicht sein können.
Fasolino schloß die Tür hinter sich, während Smolenski seine qualmende Zigarre aus einem Aschenbecher angelte; dann ließ er sich in einen Drehstuhl fallen und streckte die Beine von sich wie ein betrunkener Pferdeknecht. Was ihn jedoch von einem solchen unterschied, war die purpurrote Soutane mit dreißig handgenähten Knopflöchern und die Mozzetta , jener kurze Umhang, sowie das Scheitelkäppchen aus dem Haus Gammarelli , der allerfeinsten Adresse für Herren seines Standes.
Während der Kardinalstaatssekretär an seinem Zigarrenstummel kaute, der bedrohlich dem Ende entgegenglimmte, brummte er gereizt: »Also, was gibt es, Fasolino?« Dabei hielt er wie ein Luchs alles im Auge, was auf den Bildschirmen hinter dem Besucher ablief.
»Eminenza«, begann Alberto Fasolino umständlich, »es ist mir sehr unangenehm, darüber zu reden; aber Ihr wißt, daß ich zu Euren treuesten Dienern gehöre.«
»Zur Sache, Fasolino. Keine Ausflüchte!«
»Eminenza, ich hatte einen alten Hausdiener namens Arnolfo, der mir zwanzig Jahre treu gedient hat. Er war alt und in den letzten Jahren ein wenig … merkwürdig. Bis ihn vor kurzem der Schlag traf.«
»Er möge in Frieden ruhen. Und weiter?«
»Nach Arnolfos Tod habe ich bemerkt, daß mein treuer Diener mich zu Lebzeiten bestohlen hat. Er hat kein Geld entwendet, nein, nein. Arnolfo wollte mich offensichtlich erpressen. Wie es scheint, war er nicht der gutmütige Dummkopf, als der er sich gab. Er wußte mehr über mich und alles, was in meinem Haus geschah, als mir lieb sein kann. Und er wußte auch einiges über Euch, Eminenza.«
Der Kardinalstaatssekretär nahm den Zigarrenstummel aus dem Mund und zerquetschte ihn im Aschenbecher, als wollte er einen bösen Gedanken auslöschen. Er schwieg.
»Offenbar hat er sogar meine Telefongespräche belauscht«, fuhr Fasolino fort, wobei er Smolenski einen unsicheren Blick zuwarf. »Nun habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, alle wichtigen Gespräche aufzuzeichnen, als Gedächtnisstütze sozusagen und als eine Art Tagebuch. Nach Arnolfos Tod machte ich eine furchtbare Entdeckung. In meinem Archiv fehlten zwanzig Kassetten. Sie sind einfach verschwunden.«
Smolenski sprang so heftig auf daß der Stuhl, auf dem er gesessen hatte, gegen eine Bücherwand krachte. Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und trat mit schnellen Schritten ans Fenster. Den Besucher würdigte er keines Blickes. Schließlich sagte er tonlos: »Willst du damit sagen, daß sich auf den verschwundenen Kassetten auch geheime Botschaften befinden?«
»Leider, Eminenza. Soweit ich es feststellen kann, hat Arnolfo ganz gezielt bestimmte Kassetten ausgewählt.«
»Soll das heißen …«
»Ja, Eminenza. Er scheint unsere Pläne für die Operation ›Urbi et Orbi‹ gekannt zu haben.«
»Großer Gott!« flüsterte der Kardinal.
Es war das erste Mal, daß Fasolino solch fromme Worte aus Smolenskis Mund hörte. Doch der Kardinal nahm das Geständnis mit einer Ruhe auf, die Fasolino zutiefst beunruhigte. Er kannte den Mann in Purpur nur zu gut und wußte, daß seinen Zornesausbrüchen meist ein langes Schweigen vorausging.
»Ich kann mir nicht vorstellen«, meinte Fasolino beschwichtigend, »daß irgend jemand etwas mit den Kassetten anfangen kann. Alle Namen sind verschlüsselt. Wer sollte schon dahinterkommen …«
Der Kardinalstaatssekretär trat auf Fasolino zu, daß ihre Gesichter sich bedrohlich nahe waren, und fragte noch immer im Flüsterton: »Und was hat dein treuer Diener mit den Kassetten getan?«
»Er hat sie seinem Neffen vermacht. Und der hat sie verkauft.«
»An wen?«
»An einen Mann, der des öfteren für mich gearbeitet hat. Walter Keyserling, ein Fotoreporter aus Gaeta. Aber der hat die Kassetten angeblich verschenkt, weil er nichts damit anzufangen wußte.«
»So, so. Verschenkt.«
Fasolino blickte betroffen zu Boden. »Ich wage nicht auszusprechen an wen.«
Der Kardinal packte Fasolino am Kinn und blickte ihn mit stechenden Augen an. »An wen?«
»Er ist uns allen kein Unbekannter. Sein Name ist Brodka.«
Smolenski stieß Fasolino zurück, daß dieser strauchelte und zu Boden stürzte. Doch Smolenski setzte nach, packte Fasolino mit beiden Händen, riß ihn hoch und preßte ihn mit eisernem Griff gegen die Wand, an der die Bildschirme flimmerten.
Aus dem Augenwinkel sah Fasolino auf einem dieser Monitore einen weißgekleideten Mann, der reglos in einem Sessel
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