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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ihn umgab. Am Ende des langen Ganges führte eine Glastür ins Freie. Zielstrebig überquerte der Besucher den Cortile di San Dámaso und ging durch eine unscheinbare Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes. Nach ein paar Schritten gelangte Fasolino zu einem Aufzug, dessen automatische Türen aus mattem Stahl bestanden und nicht recht zu dem altertümlichen Gebäude passen wollten. Die Türen öffneten sich wie von Geisterhand, und Fasolino drückte auf den Knopf mit einer römischen Vier.
    Im vierten Stock trat ihm ein Sekretär in schwarzem Habitus entgegen. Noch bevor der Mann nach dem Passierschein fragen konnte, hielt Fasolino dem Aufpasser die Purpurschlinge entgegen, worauf dieser den Kopf neigte und eine ausladende Handbewegung machte, Fasolino möge seines Weges gehen; dann verschwand der Kleriker hinter einer der zahllosen hohen Türen.
    Die Pracht der endlosen Korridore wirkte schon deshalb beklemmend, weil sich hier keine Menschenseele aufzuhalten schien und weil eine Stille herrschte wie auf einem nächtlichen Friedhof.
    Am hinteren Ende des Ganges klopfte Fasolino an eine schwarzglänzende Tür, die so hoch war, als wäre sie für einen Riesen erbaut; die Klinke war zwar im unteren Drittel der Tür angebracht, befand sich aber immer noch so hoch, daß sie seinen Kopf überragte. Fasolino trat ein.
    Hinter einem Schreibtisch in der Mitte des quadratischen Raumes, dessen Wände deckenhohe Gemälde zierten, lugte ein kleinwüchsiger Sekretär mit dicker Brille hervor, der aussah wie frisch gebadet. Als Fasolino ihm gegenübertrat und die purpurfarbene Schleife vorzeigte, rückte der Mann seine Brille mit dem Zeigefinger zurecht.
    Um lästige und, wie Fasolino wußte, umständliche Fragen des Sekretärs – dessen einzige Tätigkeit darin zu bestehen schien, das Telefon zu bedienen – zu vermeiden, nannte Fasolino seinen Namen und den Grund seines Kommens. Er wolle Kardinalstaatssekretär Smolenski sprechen; es sei von größter Wichtigkeit.
    Obwohl der Sekretär des Kardinals – er hieß Polnikov, wobei er das ›i‹ besonders betonte –, Fasolino seit langem kannte, bediente er sich jedesmal derselben Prozedur, indem er sagte: » Laudetur . Wen darf ich melden?«
    ›Laudetur‹ war eine Kurzform des lateinischen ›Gelobt sei Jesus Christus‹ und Polnikovs Frage eine glatte Unverschämtheit; schließlich hatte Fasolino seinen Namen bereits genannt.
    Ungeduldig wiederholte Fasolino seinen Namen, und er blickte gelangweilt aus dem Fenster, durch das man den Petersplatz sehen konnte, während der Sekretär zum Hörer griff und Fasolinos Namen nannte. Abrupt wurde das Gespräch beendet. Offensichtlich hatte Smolenski aufgelegt. Kurz darauf öffnete sich eine Tapetentür, und Smolenski erschien, angetan mit dem Purpurornat eines Kardinals.
    »Ich habe dich nicht gerufen«, sagte der Kardinalstaatssekretär im Flüsterton, als fürchtete er, die Wände hätten Ohren. »Was willst du, Fasolino? Meine Zeit ist knapp.«
    »Ich weiß, Eminenza. Dennoch, die Angelegenheit ist zu wichtig, wir können sie nicht aufschieben.« Fasolino warf dem Sekretär einen mißtrauischen Blick zu. Smolenski verstand. Auf einen Wink des Kardinals folgte ihm Fasolino und schlüpfte durch die Tapetentür in Smolenskis Büro.
    Wer erwartet hatte, dieses Büro würde sich im gleichen Pomp oder gar noch prunkvoller präsentieren, als die Korridore und Vorzimmer des päpstlichen Palastes vermuten ließen, sah sich getäuscht. Der Raum besaß zwar dieselben Ausmaße wie das Vorzimmer des Sekretärs, etwa fünfzehn mal fünfzehn Meter, doch von edler Kunst und Kostbarkeiten war hier nichts zu sehen. Das Büro glich eher einer geheimen Kommandozentrale, deren Bestimmung jedoch im unklaren blieb.
    An den gut fünf Meter hohen Wänden türmten sich Regale bis zur Decke, in denen stapelweise Bücher und Akten lagen; das Büro war mit Computern, zwei Dutzend Fernsehbildschirmen sowie Fax- und Funkgeräten ausgestattet. Alles vermittelte den Eindruck, als würde von diesem Raum der Vatikan, vielleicht sogar die Christenheit ferngesteuert. Im Büro verteilt standen vier Schreibtische mit Bergen von Akten und Papier. Eine Couch in der hintersten Ecke verriet, daß der Kardinal bisweilen die Nacht an diesem seltsamen Ort verbrachte.
    Obwohl Fasolino Smolenskis Reich kannte, staunte er jedesmal wieder über den technischen Aufwand, mit dem der Kardinal seine geheime Organisation von hier aus steuerte. Der Kontrast zu seiner

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