Purpurschatten
saß. Das Bild war von einer Zimmerdecke aus und offenbar heimlich aufgenommen, wie die meisten anderen Bilder auf den Monitoren; aber im Augenblick interessierte ihn das wenig. Er hatte Angst vor der Brutalität Smolenskis und dessen Unberechenbarkeit.
Für Fasolino überraschend ließ der Kardinal plötzlich von ihm ab, strich sein dünnes, schwarz gefärbtes Haar mit der flachen Hand nach hinten und nahm wieder an dem Schreibtisch Platz, an dem er zuvor gesessen hatte. Er fingerte eine der billigen Zigarren, die er aus Gründen der Sparsamkeit rauchte, aus der Schublade, entzündete sie mit einem Streichholz und pustete, wie es seiner Gewohnheit entsprach, mehrmals auf die Glut. Dann sog er an der Zigarre und preßte den Rauch lautstark durch die Lippen.
»Fasolino«, sagte er, ohne dem Besucher einen Blick zu gönnen, »du bist ein Idiot. So etwas kann nur einem ausgewachsenen Schwachkopf passieren.«
Fasolino stand auf der anderen Seite des Schreibtisches in der Haltung eines reuigen Sünders, der auf Absolution hofft. Nach einer Weile ratloser Stille, während ihm der Zigarrenqualm beißend in die Nase stieg, wagte er die Frage: »Eminenza, was soll ich jetzt tun?«
Da beugte der Kardinalstaatssekretär sich zu Fasolino vor und erklärte mit seiner gefürchteten Flüsterstimme: »Ich sage dir nur eines, Fasolino. Schaff die Kassetten herbei, sonst …«
Mehr sagte Smolenski nicht; aber Fasolino wußte auch so, was es bedeutete.
Am Vormittag war ein Gewitter niedergegangen, und noch immer hingen dunkle Wolken über Rom, durch die sich bisweilen die Sonne zwängte – ein Anblick, der die Stadt verzauberte wie eine raffinierte Theaterbeleuchtung; denn die antiken Ruinen, denen man hier alle paar Schritte begegnet, erstrahlten in diesem Licht wie Staffage in einer gigantischen Inszenierung.
Brodka und Juliette hatten sich vor dem Platzregen in ihre Pension gerettet, wo der Portier sie mit einem hochformatigen Paket überraschte. Ein Taxifahrer habe es vor gut einer Stunde abgegeben.
Auf dem Paket in grauem Papier stand, mit schwarzem Filzstift geschrieben, die Adresse: ›Signora Juliette Collin, zur Zeit Albergo Waterloo.‹ Letzteres war doppelt unterstrichen.
Weder Brodka noch Juliette hatten eine Vorstellung, wer der Absender des Pakets sein könnte, ganz zu schweigen vom Inhalt. Es war etwa 60 mal 80 Zentimeter groß und seltsam leicht; jedenfalls machte es nicht den Eindruck, als ob es etwas Gefährliches enthalten könnte. Trotzdem trugen sie es mit großer Vorsicht auf ihr Zimmer.
Mit einem Messer löste Brodka die Klebestreifen. Als er das Papier auffaltete, kam eine dicke Pappe zum Vorschein. Brodka hob sie hoch, und Juliette stieß einen Schrei aus.
Das Paket enthielt die aus ihrer Galerie entwendeten Grafiken. Die Originale!
»Bist du sicher?« fragte Brodka verdutzt.
»Absolut sicher!« stieß Juliette aufgeregt hervor.
»Was hat das zu bedeuten?«
Juliette prüfte das Papier zwischen Daumen und Zeigefinger, hielt ein Blatt nach dem anderen gegen das Licht und sagte kopfschüttelnd: »Das wüßte ich auch gern.«
»An der Sache ist irgend etwas faul«, meinte Brodka, nachdem er sich von der ersten Überraschung erholt hatte.
Ein ums andere Mal betrachtete Juliette die Grafiken, und dabei konnte sie nicht die geringsten Beschädigungen entdecken. »Eine merkwürdige Geschichte. Man könnte beinahe meinen, irgend jemand will ein Geschäft mit uns machen.«
Brodka überlegte kurz. »Natürlich!« rief er dann. »Fasolino schlägt uns ein Geschäft vor! Ein Tauschgeschäft sozusagen. Die Grafiken gegen seine Kassetten.«
»Das würde aber bedeuten, daß die Kassetten für Fasolino mindestens eine halbe Million Mark wert sind.«
Brodka pfiff durch die Zähne. Dann schüttelte er den Kopf. »Aus Reue gibt er die Bilder jedenfalls nicht zurück.«
Juliette legte die Grafiken sorgfältig aufeinander und wollte gerade das Papier zusammenfalten, in dem sie verpackt waren, als sie in der untersten Lage einen Umschlag entdeckte. Sie öffnete ihn und fand darin zwei Flugtickets: Rom-München, Alitalia Flug AZ 434, Abflug 17 Uhr 30 Fiumicino, 17. März.
»Das ist ja heute!« Brodka nahm Juliette die Tickets aus der Hand und betrachtete sie, als wären es Fälschungen. »Das ist es also. Die wollen uns loswerden, und zwar sofort.«
»Was sollen wir tun?«
»Nachdenken«, bemerkte Brodka trocken, setzte sich auf die Bettkante und stützte den Kopf in beide Hände. Juliette beobachtete ihn
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