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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Sydow und Brodka dachten in diesem Augenblick das gleiche. Für beide stand außer Frage, daß Titus aus irgendwelchen Gründen Meinardis Schweigen erkaufte.
    Vor Ninos Trattoria trennten sich Titus und Meinardi. Titus eilte zur Via del Corso, wo er in ein Taxi stieg, gefolgt von Brodka. Meinardi schlenderte die Via Bocca di Leone nordwärts, wobei Sydow sich an seine Fährte heftete.
    Es war nicht einfach für Brodka, Titus auf den Fersen zu bleiben, doch nachdem er dem Taxifahrer ein sattes Trinkgeld versprochen hatte, fand dieser sich bereit, mehrere rote Ampeln zu überfahren. So gelangten sie zur Via del Banco di Santo Spirito, wo Titus im Hause Fasolinos verschwand.
    Meinardi hatte alle Zeit der Welt. Bummelnd gelangte er zur Via di Babbuino, wo er in einer Gelateria einen Eisbecher verspeiste und in einem exklusiven Geschäft ein Paar Schuhe erstand, bis er schließlich in die Via San Giacomo einbog und in einem unförmigen Mietshaus mit hohen Fensterläden verschwand, von denen die meisten um die Mittagszeit geschlossen waren.
    Sydow folgte ihm bis zum Hauseingang, aus dem muffige kühle Luft wehte. Es gab eine Klingelleiste mit gewiß fünfzig Knöpfen. Die meisten Namen waren überklebt, andere abgeschraubt. In der obersten Reihe entdeckte Sydow das Namensschild ›B. Meinardi‹. Zufrieden begab er sich zurück zu Ninos Trattoria in der Via Borgognona.
    Brodka wartete bereits auf ihn.
    Sie bestellten Bistecca alla Fiorentina und tauschten ihre neu gewonnenen Erkenntnisse aus.
    »Was halten Sie von der Sache?« fragte Brodka.
    »Die Gründe sind klar«, meinte von Sydow. »Meinardi soll den Mund halten oder weiter den Verrückten mimen. Und warum? Weil seine Beobachtung richtig war! Die Raffael-Madonna im Vatikan ist eine Fälschung.«
    Brodka runzelte die Stirn. »Angenommen, Sie haben recht. Können Sie mir dann erklären, was mit dem Original von Raffael geschehen ist? Ich meine, Gemälde von diesem Bekanntheitsgrad haben doch keine Chance auf dem Schwarzen Markt.«
    »Das glauben Sie! Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, aber der Kunstmarkt ist ein Tummelplatz von Verrückten. Um in den Besitz eines Gemäldes zu kommen, wurden schon Menschen umgebracht. Die Unsummen, die für manche Bilder bezahlt werden, haben nichts mehr mit ihrem tatsächlichen künstlerischen Wert zu tun. Es sind Prestigeobjekte, die das verkümmerte eigene Ego aufrichten sollen. Während der Nichtsammler einen Psychiater aufsucht und sagt, Doktor, ich leide unter Minderwertigkeitskomplexen oder dergleichen, stellt ein Sammler sich vor seinen Raffael oder Rembrandt und sagt, du gehörst mir, und ich bin der einzige von sechs Milliarden Menschen, der das behaupten kann.«
    »Sie haben sich offenbar eingehend mit der Thematik beschäftigt, Sydow. Nur eines verstehe ich nicht. Ein Deal wie der mit Raffaels Madonna muß doch geheim bleiben. Naturgemäß kann es also nur wenige Mitwisser geben. Das bedeutet, so ein verrückter Sammler muß das Objekt seiner Begierde ein Leben lang verstecken.«
    »Stimmt. Aber es gibt Menschen, für die ist gerade das der Kick.«
    »Ein solcher Coup setzt aber auch voraus, daß es Fälscher gibt, die über unglaubliches Können verfügen.«
    »Die gibt es, lieber Freund, die gibt es. Es sind wahre Genies darunter. Und in den letzten Jahren haben sie auch enorme technische Fortschritte gemacht. Sie arbeiten mit Röntgenstrahlen und UV-Licht. Mit Hilfe chemischer Manipulation können sie eine Patina zaubern, die Jahrhunderte alt aussieht. Unter dem Röntgenschirm entdecken sie sogar die Eigenheiten der Pinselführung eines Künstlers. Und was das notwendige Material betrifft: Fälscher kaufen auf Auktionen mit Vorliebe zweit- und drittklassige zeitgenössische Gemälde und benutzen die Leinwand, das Holz oder Kupfer als Grundlage für ihre Kopien, oder sie entfernen die Farben, mahlen und mischen sie neu und verfügen auf diese Weise über authentische Farben.«
    »Faszinierend. Wenn ich es mir recht überlege, könnte der Louvre, der Prado oder die Alte Pinakothek zur Hälfte aus Fälschungen bestehen, während die Originale bei irgendwelchen Sammlern hängen.«
    »Möglich, aber unwahrscheinlich.«
    »Und warum?«
    »Die großen Museen der Welt befinden sich in der Obhut des Staates. Sie unterstehen Ministerien, von denen Museumsdirektoren benannt werden, die wiederum unter der Kontrolle durch irgendwelche Ausschüsse stehen. Mit anderen Worten, es gibt zu viele Kontrollinstanzen, zu viele

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