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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Mitwisser, und oft genügt ein Zeitungsartikel eines wissenschaftlichen Assistenten, um die Untersuchung eines Gemäldes in die Wege zu leiten, das seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten an seinem Platz hängt.«
    »Dies klingt einleuchtend«, stimmte Brodka zu. »Aber was hat Smolenski damit zu tun?«
    »Ich kenne die Verhältnisse im Vatikan. Zwar gibt es offiziell einen Direktor der Vatikanischen Museen, aber den kennt keiner; denn in wichtigen Angelegenheiten entscheidet nur ein Mann: der Kardinalstaatssekretär.«
    Die beiden Männer schwiegen, während der Ober schwungvoll die Bistecca servierte.
    »Unter diesem Aspekt«, fuhr Sydow fort, »gewinnen manche Dinge eine völlig andere Bedeutung. Einmal im Jahr gewährt der Vatikan bei einer Pressekonferenz Einblick in seine Bilanzen. Und dabei erscheint jedesmal eine groteske Zahl. Der Wert aller vatikanischen Kunstwerke wird mit einer einzigen symbolischen Lira angegeben. Auf meine Frage, wie hoch der tatsächliche Wert der Kunstwerke sei und ob sie überhaupt jemals geschätzt wurden, bekam ich eine ausweichende Antwort. Statt dessen stellte Monsignore Cibo seinerseits die Frage, warum ich das wissen wolle, man denke ohnehin nicht daran zu verkaufen. Als ein chilenischer Journalist fragte, ob mit dem Verkauf der unermeßlichen Kunstschätze im Vatikan den Armen in der Welt nicht mehr geholfen werden könne als durch fromme Gebete, nahm Smolenski dem sprachlosen Monsignore die Antwort ab und erklärte, im Vatikan werde das Kulturerbe der gesamten Menschheit treuhänderisch verwaltet, folglich könne man kein einziges Objekt veräußern.«
    Brodka betrachtete das mürbe Beefsteak mit Wohlgefallen, doch sein Gesichtsausdruck wandelte sich rasch, als er mit den Tücken eines stumpfen Messers kämpfen mußte. Aber in dem Verdacht, daß der Ober ihm bei einer Reklamation doch nur lächelnd ein neues Messer bringen würde, das genauso stumpf wäre, säbelte er tapfer weiter.
    »Smolenski scheint vergessen zu haben«, meinte er, »daß sein römisch-katholisches Großunternehmen gerade mal zwanzig Prozent der Menschheit umfaßt. Aber zur Sache. Nachdem Sie jetzt einiges erfahren haben … wollen Sie mir helfen?«
    Andreas von Sydow tupfte sich mit der Serviette den Mund ab und trank einen Schluck Wasser. Dann erwiderte er, während er genußvoll mit den Augen rollte: »Ich wäre kein Reporter, würde ich Ihre Frage mit nein beantworten. Ich habe das Gefühl, da steckt ein großes Ding dahinter. Und die Sache mit dem Gemälde, das mysteriöse Grab auf dem Campo Santo, der Tod Ihrer Mutter und die merkwürdigen Immobiliengeschäfte … hinter all dem steht Smolenski. Der Mann scheint allgegenwärtig, als wäre er der liebe Gott.«
    »Oder sein Widersacher.«
    Sydow nickte. »Ja.«
    Im weiteren Gespräch einigten sich die beiden Männer, daß Sydow das ausschließliche Veröffentlichungsrecht an der Story erhalten solle. Brodka war lediglich an der Aufklärung des Falles interessiert, seines Falles. Gemeinsam stellten sie einen Plan für die nächsten Tage auf.
    Ihr erster Weg führte zu Bruno Meinardi.
    Es war halb vier und ziemlich heiß. Kein normaler Römer machte unter diesen Umständen einen Besuch, so daß Brodka und Sydow ziemlich sicher sein konnten, Meinardi um diese Zeit zu Hause anzutreffen.
    Als sie in der Via San Giacomo aus dem Taxi stiegen, schlug ihnen unbarmherzige Hitze entgegen. Die Kühle im Treppenhaus versöhnte sie ein wenig mit der Herausforderung, sechs Stockwerke bewältigen zu müssen.
    Das Treppenhaus war wie ausgestorben. Nur vom Hinterhof drang schrilles Vogelgezwitscher durch die schmalen Fenster. Sydow war ziemlich sicher, daß er den entlassenen Museumswächter mit einer List zum Reden bringen konnte. Er sprach akzentfrei italienisch und bat Brodka – hinter dessen Aussprache jeder Römer sofort einen tedesco vermutete –, sich zunächst zurückzuhalten, um kein Mißtrauen von Seiten Meinardis aufkommen zu lassen. Auf dem obersten Treppenabsatz angelangt, drückte Sydow auf den Klingelknopf.
    Nach einer Weile öffnete Meinardi die Tür. Er trug ein verwaschenes T-Shirt und weite Shorts, aus denen weiße, dünne Beine ragten. Mißtrauisch musterte er die beiden Männer und fragte mit mürrischem Unterton, was sie wollten.
    Sydow stellte sich vor, verschwieg aber den Namen Brodkas und erklärte, er und sein Kollege seien Reporter des ›Messaggero‹; ob sie ihn kurz sprechen könnten.
    Der alte Mann, der viel älter erschien, als es

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