Purpurschatten
wurde Brodka durch Zufall fündig. In der Akte 69/17.431, Kataster XIII, fand er den Vermerk, daß seine Mutter das Haus von einer Immobilienfirma namens ›Pro Curia‹ erworben und bar bezahlt hatte. Der Kaufpreis betrug eine Mark. Beglaubigt von einem Dr. Seyfried, seines Zeichens Notar.
Brodka zweifelte an dem lächerlichen Kaufpreis; er glaubte an einen Irrtum. Doch auch nach gründlichem Studium der Akte kam er zu keinem anderen Ergebnis. Brodka zog einen Katasterbeamten zu Rate. Der Mann erklärte, ein solcher Kaufpreis sei zwar ungewöhnlich, aber durchaus möglich und juristisch nicht anfechtbar, handle es sich doch praktisch um eine Schenkung.
Von einer Immobiliengesellschaft ›Pro Curia‹ hatte Brodka nie gehört. Er vermutete, daß dieses Unternehmen längst pleite sei. Um so größer war sein Erstaunen, als er die ›Pro Curia‹ im Telefonbuch fand – samt Adresse in einer gediegenen Umgebung, nur fünf Minuten von Juliettes Galerie entfernt.
Ein dezentes Schild an einer Toreinfahrt – ›Pro Curia Immobiliengesellschaft‹ – war der einzige Hinweis auf das Unternehmen. Durch die Einfahrt gelangte man auf einen Parkplatz mit überdachten Stellplätzen. Eine hohe Mauer schirmte den Platz vor möglichen Blicken vom Nachbargrundstück ab.
Brodkas Erscheinen erregte immerhin soviel Aufsehen, daß linker Hand ein gut gekleideter Mann mittleren Alters aus dem Eingang trat und nach seinen Wünschen fragte.
Brodka erklärte, er wolle zur Firma ›Pro Curia‹, um dort eine Auskunft zu erbitten, die ein Geschäft betraf das vor mehr als dreißig Jahren abgewickelt worden sei.
Der Gutgekleidete blickte für einen Moment verwirrt; dann stellte er sich Brodka als Lorenzoni vor und bat ihn ins Gebäude.
Angesichts der sterilen Aufgeräumtheit, in der sich das Büro der ›Pro Curia‹ präsentierte, konnte man sich schwer vorstellen, daß hier Immobiliengeschäfte abgewickelt wurden. Eine ältliche Sekretärin mit streng frisierten grauen Haaren saß, die Hände gefaltet, an einem weißen Schreibtisch, auf dem sich nichts außer einem Telefon befand. Weiße Einbauschränke an den Wänden wirkten kalt und abweisend und ließen beim Besucher die Frage aufkommen, was wohl darin aufbewahrt wurde.
Brodka berichtete Lorenzoni von seiner Entdeckung im Katasteramt und erkundigte sich, ob noch Unterlagen über die fragliche Transaktion existierten; schließlich sei es ungewöhnlich, daß ein Haus für eine Mark den Besitzer wechsle.
Lorenzoni lächelte freundlich – vielleicht eine Spur zu sehr, als daß man ihm diese Freundlichkeit abkaufen konnte – und erwiderte, über Geschäftsvorgänge von vor dreißig Jahren gäbe es keine Unterlagen mehr. Allein die Geschäftsführung des Unternehmens habe in dieser Zeit gewiß dreimal gewechselt. Er bedaure.
Brodka verließ das Büro der ›Pro Curia‹ mit dem Gefühl, daß diese Immobiliengesellschaft nicht weniger dubios war als das Eine-Mark-Geschäft vor dreißig Jahren.
Dorn, der Chefredakteur des ›News‹-Magazins, mit dem Brodka wenn nicht Freundschaft, so doch freundschaftlichen Umgang pflegte, erwies sich als ergiebigste Quelle. Nachdem Brodka ihn in die Einzelheiten seiner Erbschaft eingeweiht hatte, erinnerte sich Dorn, daß sein Magazin vor vielen Jahren über die Geschäftspraktiken der ›Pro Curia‹ berichtet hatte. Dorn, damals Chefreporter, hatte den Artikel zusammen mit einem Kollegen geschrieben und war anschließend mehrmals bedroht worden. Es hatte sogar das Gerücht kursiert, Dorns Vorgänger habe seinen Sessel nicht freiwillig oder auf Wunsch der Verlagsleitung geräumt, sondern auf Druck der Hintermänner dieser obskuren Gesellschaft.
Im Archiv des Blattes entdeckte Brodka die betreffende Ausgabe. Der Bericht war sieben Jahre alt und schilderte die Machenschaften einer undurchsichtigen Firma, die hinter einer Fassade der Wohlanständigkeit schmutzige Geschäfte betrieb. ›Pro Curia‹ hatte, dem Bericht zufolge, mit der Vermittlung von Häusern und Grundstücken wenig zu tun; vielmehr besaß die Firma selbst diverse Immobilien im In- und Ausland und bezog ihre Einkünfte aus so unterschiedlichen Institutionen wie kirchlichen Stiftungen und Spielhöllen, aus dem Drogenhandel und der Prostitution, wobei es für die drei letztgenannten Einnahmequellen zwar Hinweise, aber keine Beweise gab.
Brodka konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß seine Mutter mit einer derartigen Organisation in Verbindung gestanden hatte;
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