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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Und er, Collin, hatte nichts bemerkt.
    Er zog eine Flasche unter dem Fahrersitz hervor, setzte sie an den Mund, daß seine Lippen den Flaschenhals umschlossen, und ließ den Cognac in sich hineinlaufen, als wäre es Wasser.
    Aus dem Verstärker drangen nun immer heftigere Laute der Erregung. Collin konnte sich nicht erinnern, Juliette je so erlebt zu haben. Sie schrie, tobte, stieß die ordinärsten Aufforderungen aus wie in einem miesen Pornostreifen. Sie nannte den Kerl einen geilen Hengst und flehte ihn an, es ihr noch heftiger zu besorgen. Und dieser Brodka stand ihr in nichts nach. Er brüllte seine Lust heraus wie ein Tier, nannte Juliette eine geile Schlampe und stellte keuchend, im Rhythmus ihrer Schreie, die – rhetorische – Frage: »Brauchst du das? Brauchst du das? Brauchst du das?«
    Collin konnte es nicht mehr mit anhören und schaltete das Gerät aus. Das Lusttheater endete von einem Augenblick auf den anderen.
    Ihm war heiß geworden. Er nahm die Brille ab und wischte sich mit einem Taschentuch übers Gesicht. Er kochte vor Wut und fühlte, wie Hitze in ihm aufstieg und sich in seinem Kopf ausbreitete, wie seine Schläfen pochten und seine Augäpfel zu platzen drohten.
    Er wollte aus dem Wagen stürzen, die Schaufenster der Galerie einschlagen, diesen Brodka ins Freie zerren und dermaßen verprügeln, daß er ein für allemal seine dreckigen Finger von Juliette ließ.
    Für immer …
    Collin grinste verzerrt. Er würde diesen Hurensohn erschießen. Und alles mußte so aussehen, als wäre es Selbstmord. Er war erfahren im Umgang mit Waffen. Er wußte, wie man so etwas anstellte.
    Während Collin erneut zur Flasche griff, stellte er den Empfänger wieder ein. Das lustvolles Keuchen und Stöhnen hatte geendet, und der Professor lauschte aufmerksam einem Gespräch zwischen seiner Frau und ihrem Geliebten.
    Brodka (zögerlich): »Vor nicht allzu langer Zeit hast du mich gefragt, ob ich dich heirate.«
    Juliette (aufgeregt): »Und du bist mir bis heute die Antwort schuldig geblieben.«
    Pause.
    Brodka (umständlich): »Nun ja, weißt du, Liebes, ich dachte bis gestern, daß ich kein Mann zum Heiraten bin, daß ich meine Freiheit brauche und ohne sie nicht leben kann.«
    Juliette (gekränkt): »Ach? Und hast du heute deine Meinung geändert?«
    Pause.
    Brodka (unsicher): »Wie soll ich es dir sagen …«
    Juliette (belustigt): »Ich weiß es nicht.«
    Brodka (gefaßt): »Ich sehe nur eine Möglichkeit, mich aus dieser Misere zu befreien. Ich muß ein neues Leben anfangen … in London, Rom, New York. Wir könnten heiraten, und ich würde deinen Namen annehmen.«
    Collin lauschte atemlos. Er drückte den Empfänger so fest ans Ohr, daß es schmerzte.
    »Warum antwortet sie nicht?« fauchte er dann und schlug mit den Händen gegen das Lenkrad. »Dieses Miststück soll ihm endlich sagen, daß sie verheiratet ist! Seit fünfzehn Jahren! Daß ihr Mann niemals in eine Scheidung einwilligen würde! Warum sagst du es nicht, Juliette?«
    Collin preßte den Kopf auf die Unterarme. Seine Augen brannten. Er merkte, daß er weinte.
    Dann wieder eine Stimme im Empfänger.
    Juliette (ratlos): »Merkwürdig. Als ich dich fragte, ob du mich heiraten willst, wußtest du keine Antwort. Heute fragst du mich, und ich weiß nicht, was ich antworten soll. Ich habe einen Beruf, ein gutgehendes Geschäft. Soll ich das alles aufgeben?«
    Brodka (zögernd): »Wenn du mich liebst …«
    Collin schleuderte den Empfänger auf den Wagenboden, daß das hochempfindliche Gerät seinen Geist aufgab. Dann drehte er den Zündschlüssel und jagte mit kreischenden Reifen los.
    Nicht ahnend, daß Collin nun von ihrem Verhältnis wußte, suchte Brodka am folgenden Tag das Meldeamt auf. Er hoffte, dort irgendeinen Hinweis auf das Vorleben seiner Mutter zu finden; doch außer den bekannten Personalien und einem Wohnungswechsel vor dreißig Jahren stieß er auf keine Information, die ihm weiterhelfen konnte.
    Der Wohnungswechsel ins Haus in der Prinzregentenstraße, das nun ihm gehörte, brachte ihn jedoch auf eine andere Idee. In Deutschland wird alles – egal ob es sich um ein Geschäft, eine Geburt oder einen Umzug handelt – beurkundet und mit Stempeln und Unterschriften versehen, die wiederum von einem Anwalt besonderer Qualifikation beglaubigt und mit Brief und Siegel versehen werden. Handelt es sich gar um ein Haus, wird sogar der Vor- und Vorvorbesitzer sowie der Kaufpreis und die Zahlungsweise festgehalten.
    Auf dem Grundbuchamt

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