Purpurschatten
unter dem Armaturenbrett herum und fand nach einigen vergeblichen Versuchen den Stecker des Antennenkabels.
Collin schob den Stecker in eine dafür vorgesehene Buchse des Kästchens und drehte an einem roten Knopf. Aus dem Kästchen vernahm er zunächst nur ein Rauschen; dann hatte er die richtige Frequenz gefunden und hörte plötzlich Juliettes aufgeregte Stimme. Ein Mann antwortete. Kein Zweifel, es war Brodka.
Collin grinste mit zusammengepreßten Lippen. Durch die Windschutzscheibe schaute er zu den hell erleuchteten Fenstern zu beiden Seiten des Eingangs hinüber. Er hatte schon lange geahnt, daß seine Frau ein Verhältnis hatte, aber den Verdacht, daß Brodka ihr Liebhaber war, hegte Collin erst seit der Einladung vor zwei Wochen.
Nur beweisen konnte er nichts.
Zuerst hatte Collin seiner Frau auf den Kopf zusagen wollen, daß sie mit Brodka schlief; dann aber waren ihm Bedenken gekommen. Schließlich fehlte ihm der Beweis, und wenn Juliette schlichtweg alles abstritt, war sie gewarnt – und er stand wie ein Trottel da.
Deshalb hatte Collin in einem Elektronikshop in der Bahnhofsgegend eine Wanze gekauft, einen winzigen Sender samt Empfänger zum Preis von 350 Mark – soviel war ihm die Sache wert. Den Sender, kaum größer als ein Hosenknopf, hatte er am Innenfutter von Juliettes Mantel befestigt. Und nun hörte Collin aus dem kleinen schwarzen Empfänger, was er bisher nur vermutet hatte.
Nicht nur, daß die beiden sich duzten; Juliettes Versprecher bei ihrem ersten Zusammentreffen war ihm trotz seines alkoholisierten Zustandes keineswegs entgangen. Nein, ihr Umgang schien äußerst vertraut und ließ darauf schließen, daß sie sich schon länger kannten – und zwar intim.
Collin verfolgte die Unterhaltung mit einer Mischung aus Eifersucht, Spannung und jener seltsamen Art voyeuristischer Lust, die nur beim heimlichen Zuhören oder Zuschauen entsteht und die Sinne mehr schärft als das unmittelbare Erleben. Anfangs begriff Collin nicht, worüber die beiden sich unterhielten; dann aber wurde ihm klar, daß Brodka offenbar von Unbekannten verfolgt wurde und sein Leben in Gefahr war.
Die ganze Geschichte hörte sich an, als würde der verdammte Mistkerl unter Verfolgungswahn leiden. Aber vielleicht war ja doch etwas dran. Collin grinste. Brodka hatte ihm Juliette weggenommen. Und Juliette hatte sich ihm wegnehmen lassen und ihn mit diesem Schweinehund betrogen. Schadenfreude stieg in Collin auf – mehr noch, er wünschte diesem Hurensohn den Tod.
Collin hatte sich mehr als einmal die Frage gestellt, wie lange eine Frau wie Juliette ohne Sex auskam. Man brauchte kein Arzt zu sein, um zu wissen, daß dieser Zustand physisch wie psychisch, ja sogar physiologisch Gefahren barg; insofern wußte Collin, daß er zumindest für Juliette hätte Verständnis aufbringen müssen, daß sie sich einen Liebhaber nahm – oder wie immer man den anderen Teil eines solchen außerehelichen Verhältnisses nennen möchte. Aber das war alles Theorie.
Denn nun, da er aus dem kleinen schwarzen Kästchen plötzlich Juliettes leises Stöhnen vernahm – Laute der Lust, die er selbst bei seiner Frau nicht zu erregen vermochte –, stieg heiße Wut in ihm auf. Das verdammte Luder trieb es mit Brodka!
Collin lauschte angestrengt, doch aus dem Kästchen drang jetzt nur Rauschen. Aber der Professor brauchte nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was dort, keine fünfzig Meter von ihm entfernt, nun geschah: Er sah vor seinem inneren Auge, wie Juliette sich vor diesem Kerl auszog, wie sie sich in lasziven Bewegungen vor ihm wand, ihn heiß machte, sich auf ihn setzte und seinen gottverdammten Schwanz in sich hineingleiten ließ.
Collin vernahm jetzt ab und zu ein leises Stöhnen, ein lustvolles Ächzen oder einen kleinen Schrei – und er hätte gelogen, wenn er geleugnet hätte, daß er dabei nicht selber Lust empfand. Doch seine Wut war unendlich viel größer. Wie konnte Juliette ihm so etwas antun? Wie konnte sie ihn auf so perfide Weise derart erniedrigen?
Hatte sie nicht alles, wovon eine Frau nur träumen kann? Hatte er gelogen, als er damals vor ihrer Heirat versprach, ihr die Welt zu Füßen zu legen? Ließ er ihr nicht alle Freiheiten?
Das war der Punkt. Vielleicht hatte er ihr zu viele Freiheiten gelassen. So viele Freiheiten, daß sie es mit einem hergelaufenen Fotografen treiben konnte, der mit Vorliebe halbnackte Mädchen ablichtete. Vielleicht hatten die beiden schon seit Jahren ein Verhältnis.
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