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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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dennoch konnte es keinen Zweifel daran geben: Diese Immobiliengesellschaft hatte Claire Brodka vor dreißig Jahren ein Mietshaus in bester Lage geschenkt. Aus welchem Grund? Welches Ziel hatten diese Leute mit ihrer Großzügigkeit verfolgt?
    ›News‹-Chef Dorn meinte, es sei ratsam, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er selbst, erklärte er, würde heute keine Zeile mehr über die ›Pro Curia‹ veröffentlichen. Der Reporter Andreas von Sydow, der mit ihm seinerzeit die Story recherchiert hatte, habe sich danach unter bis dato ungeklärten Umständen ins Ausland abgesetzt. Nein, erklärte Dorn, ihm wäre die Sache viel zu heiß.
    Brodka ließ sich von Dorns Worten nicht einschüchtern. Zum erstenmal hatte er eine konkrete Spur, einen Hinweis, der einige Erlebnisse der vergangenen Wochen, diesen verrückten Alptraum, in einen gewissen, noch vagen Zusammenhang brachte.
    Brodka, der in letzter Zeit mitunter an seinem Verstand gezweifelt und sich gefragt hatte, ob er sich das alles nicht bloß einbildete, klammerte sich daran wie an einen Strohhalm. Der Sog, in den er geraten war, war immer stärker geworden, hatte ihn wie ein Strudel immer weiter in die Tiefe gezogen. Nun endlich hatte er einen, wenn auch unsicheren, Halt gefunden.
    Eigentlich hatte Brodka sich vorgenommen, die Wohnung seiner Mutter nie mehr zu betreten. Denn bei jedem Besuch kam es ihm vor, als lauerte irgendwo in der stummen Hinterlassenschaft ihres Lebens etwas Geheimnisvolles, Gefährliches, dem man besser aus dem Weg ging.
    Doch nun, als die Möbelpacker anrückten, wollte Brodka unbedingt dabeisein. Die Wohnung wurde geleert; Gemälde und andere Wertgegenstände wurden in Kisten verpackt und zusammen mit den Möbeln bei einer Spedition eingelagert. Irgendwann wollte Brodka das gesamte Inventar sichten, sortieren und die Kleidungsstücke endgültig entsorgen.
    Bis auf den Sekretär, ein schönes altes Möbel aus dem Biedermeier, gefiel ihm kaum ein Einrichtungsgegenstand. Doch alte Leute hängen an alten Möbeln. Seine Mutter machte da keine Ausnahme.
    Beim Abtransport einer Couch kam ein Briefumschlag zum Vorschein, an Claire Brodka adressiert, der zwischen die Polster gerutscht und dort längere Zeit unentdeckt geblieben war. Obwohl der dazugehörige Brief fehlte, erschien Brodka der Umschlag äußerst interessant, denn der Absender lautete: Hilda Keller, Sengerstraße 6, Zürich.
    Brodka konnte sich dunkel erinnern, daß Hilda Keller eine Schulfreundin seiner Mutter gewesen war, die vor vielen Jahren einen Schweizer Bankier geheiratet hatte und nach Zürich gezogen war.
    Spontan beschloß er nach Zürich zu fliegen. Vielleicht konnte Claires alte Freundin ihm einen Hinweis geben.
    Brodka verzichtete darauf, sich telefonisch bei Hilda Keller zu melden; schließlich mußte er damit rechnen, daß die alte Dame ihm mit Mißtrauen begegnete oder gar ablehnte, mit ihm zu reden, wenn er sein Kommen ankündigte.
    Ein Taxi brachte Brodka zum Haus der Kellers, das über dem Zürichsee in einer noblen Wohngegend stand, wo sich die Bewohner mit dichten Hecken oder mannshohen Mauern voneinander abgrenzten, vor allem aber von der Straße.
    Das Haus mit dem dezenten Namensschild ›Keller‹ verbarg sich hinter einem braun gestrichenen Holzzaun und machte einen unbewohnten Eindruck. Als Brodka läutete, geschah zunächst nichts; nach einer Weile jedoch meldete sich eine Männerstimme über die Sprechanlage.
    Brodka nannte seinen Namen und erklärte, er sei der Sohn von Claire Brodka, einer Schulfreundin Hilda Kellers. Seine Mutter sei vor kurzem gestorben; er würde mit Frau Keller gern ein paar Worte wechseln.
    Nach längerem Warten gab der elektrische Türöffner den Eingang frei. Ein schmaler, mit Platten gepflasterter Weg führte zum Haus, einem Gebäude aus den dreißiger Jahren mit einer breiten Terrasse und einem großen, von eckigen Säulen getragenen Vordach.
    In der Haustür erschien ein alter, korrekt gekleideter Herr mit bleichem, kränklichem Gesicht, der einen leicht debilen Eindruck machte, und stellte sich vor. Als er Brodka mit dem Anflug eines Lächelns die Hand reichte, fühlte sie sich weich und schwammig an.
    »So, so«, meinte der alte Mann – er leitete jeden zweiten Satz mit ›so, so‹ ein –, »Sie sind also Claire Brodkas Sohn.«
    »Ja«, antwortete Brodka. »Haben Sie meine Mutter gekannt?«
    »Nein, ich kannte sie nicht, aber ich habe von ihr gehört. Meine Frau und Ihre Mutter gingen zusammen zur Schule.«
    »Sie

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