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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Tresen Platz. Entgegen seinen Erwartungen wurde er kaum beachtet. Nur der Barmann, ein glatzköpfiges Muskelpaket mit einer Goldkette um den Hals, fragte höflich nach seinen Wünschen.
    Mehr aus Verlegenheit bestellte Brodka einen Scotch mit Eis. Während der Barkeeper das Getränk einschenkte, erkundigte Brodka sich so beiläufig er konnte, ob Agostinos Schlegelmilch heute schon dagewesen sei.
    Nein, erwiderte der Barmann und schob den Whisky über den Tresen. Agostinos komme nie vor halb neun und verschwinde meist nach einer halben Stunde wieder.
    Noch bevor man auf Brodka aufmerksam werden konnte, leerte er sein Glas, zahlte und ging.
    Auf der Straßenseite gegenüber befand sich ein kleines Lokal, ein typisches Wiener Beisel mit zwei großen Fenstern, durch die man gute Sicht auf den Eingang des ›Roten Gimpel‹ hatte. Das Publikum – halbseiden bis anrüchig – zählte nicht gerade zur feinen Wiener Gesellschaft. Doch Brodka war nicht gekommen, um Ablenkung zu suchen oder seine Langeweile zu vertreiben. Das machte er auch der Kellnerin klar, einer nicht unsympathischen, blonden Schlampe, die sich sofort zu dem – wie sie wohl meinte – besseren Herrn an den Tisch setzte und fragte, was sie für ihn tun könne.
    Sie könne ihm ein Bier bringen, sagte Brodka und erklärte zudem, daß er jemanden erwarte. Was die junge Dame jedoch in keiner Weise irritierte und zu der Bemerkung veranlaßte, man könne sich ja bis zum Eintreffen dieses Jemand gemeinsam die Zeit vertreiben. Ob sie sich einen Piccolo bestellen dürfe?
    In der Hoffnung, seine Ruhe zu haben, willigte Brodka ein, was sich jedoch als Fehleinschätzung erwies, denn die Blondine begann nun zu erzählen und – schlimmer noch – Fragen zu stellen: woher er komme und ob er zufällig in der Gegend sei und ob sie ihm gefalle oder ob er mehr auf Kerle stehe, dann müsse er nur über die Straße gehen.
    Während die Blondine munter drauflosplauderte, behielt Brodka den Eingang des ›Roten Gimpel‹ aufmerksam im Auge. Tatsächlich dauerte es nicht lange, da erschien Agostinos Schlegelmilch. Er kam zu Fuß, wie Brodka erleichtert feststellte. Wenn Agostinos das Lokal verließ, konnte er sich an seine Fersen heften. Ihn in dem Lokal oder auf der Straße anzusprechen erschien Brodka zu riskant; falls Agostinos sich so verhielt wie bei ihrer letzten Begegnung, würde er ihn womöglich abblitzen lassen.
    Er wußte, Schlegelmilch war ein gerissener Kerl, und ihm beizukommen war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Agostinos' Furcht vor der geheimnisvollen Organisation, die er gefährlicher als die Mafia einstufte, hielt Brodka für übertrieben. Wahrscheinlich war diese Furcht nur gespielt gewesen – mit dem Ziel, ihn loszuwerden. Dennoch mußte er Schlegelmilch oder Titus, vermutlich sogar beiden, irgendwie in die Quere gekommen sein.
    Vorsorglich beglich Brodka seine Rechnung. Der Blonden gab er ein reichliches Trinkgeld, das sie im weiten Ausschnitt ihrer Bluse verschwinden ließ. Dann wartete er, den Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite gerichtet.
    Vor dem ›Roten Gimpel‹ herrschte reges Kommen und Gehen, und Brodka befürchtete schon, Schlegelmilch übersehen zu haben; dann aber trat der Gesuchte plötzlich vor die Tür und wandte sich stadteinwärts. Brodka verließ das Lokal, überquerte die Straße und folgte Agostinos in geringem Abstand.
    In Höhe des Theresianums bog Schlegelmilch in die Mayerhofgasse ab, wo er nach etwa fünfzig Metern in einem offenen Hauseingang verschwand.
    Zum Glück war Brodka so schnell, daß er die Haustür auffing, noch bevor sie ins Schloß fallen konnte. Doch Agostinos war wie vom Erdboden verschluckt.
    Es war ein altehrwürdiges Treppenhaus mit breiten Steinstufen und einem alten, kunstvollen Geländer. In der Mitte befand sich ein Fahrstuhl, der diesen Namen wahrhaftig verdiente: eine aus rötlichbraunem Holz gezimmerte Kabine mit Türflügeln und Seitenscheiben aus geschliffenem und mit geätzten Blumenranken verziertem Glas – ein kostbares Relikt aus der Zeit der Secession.
    Links neben dem Eingang führte eine grün gestrichene Flügeltür zu einer Wohnung. Einst hatte sie vermutlich den Hausmeister beherbergt, doch heutzutage war solcher Wohnraum viel zu teuer, um ihn einem Hausangestellten zu überlassen.
    Auf dem Namensschild stand – Brodka wollte seinen Augen nicht trauen – ›Schlegelmilch‹.
    Brodka lauschte an der Tür, hörte aber keinen Laut im Inneren der Wohnung. Er zog sich

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