Putla - Junge ohne Lachen
nicht einfach, denn er liess sich nicht fragen, immer noch nicht fragen, ich musste über diesen und jenen Ort, dieses und jenes Hotel sprechen, über Konzerte und Helikopter, denn mehr konnte ich nicht erwarten, als dass mir ein sofort unterdrücktes Leuchten in seinen Augen verraten würde, wovon er träumte: Flugzeuge, Amerika, New York, Helikopter, Freiheitsstatue, Highways, das Meer.
Es wurde Frühling, und ich fühlte mich mutiger, hoffnungsvoller, kräftiger. Ich fürchtete mich davor, ohne seine Nähe und Wärme zu leben; auf jeder Reise, die ich allein unternehmen musste, und galt es nur einmal in Paris zu übernachten, kam spät nachts der Moment, nach langem Essen, langen Gesprächen, wo, wie müde ich auch war, ich im Bett lag und nur noch einen Gedanken hatte, Putla, und wie sehr ich ihn vermisste, wie sehr ich ihn liebte, wo ich dalag und mein Körper wie eine riesige offene Wunde, als wäre ich entzweigerissen, nach seinem schrie. Ich brauchte ihn.
Endlich kam die letzte Woche, der letzte Schul- für ihn, Arbeitstag für mich; nicht unerwartet schaffte ich knapp den letzten Zug - in der Mappe noch Akten zum Lesen auf dem Flug.
Im Zug schlief ich mehrmals über meinen Papieren ein; bei der Einfahrt in unsere kleine Bahnstation sah ich Putla, der auf mich wartete, und es schien mir, er lache mir zu, und ich dachte in meiner Verschlafenheit, er freue sich auf die Reise; er nahm mein Gepäck, "David?"
"Ja?"
"Wenn ich (seine Stimme klang freier als sonst) einen Blödsinn gemacht hätte, wärst Du dann sehr böse auf mich?"
Ich kannte das, jedes zerbrochene Zahnglas machte ihm Sorgen! "Sicher nicht; was ist passiert?"
"Nichts, ich sage es Dir morgen, hast Du schon gegessen?"
Ich war müde, wir assen schnell, was er vorbereitet hatte, dann gingen wir schlafen; weil ich mich selber so freute zu verreisen, verwunderte mich nicht, dass auch er fröhlich, schelmisch, glücklich schien. Wir gingen zu Bett, und ich sank vom Orgasmus in tiefen Schlaf, bis mich heftige Bewegungen Putlas weckten; erst dachte ich, ich hätte verschlafen, und er wolle mich wecken, dann merkte ich, dass er im Schlaf um sich schlug und ächzte, als hätte er einen furchtbaren Alptraum. Ich versuchte erfolglos ihn aufzuwecken, er schien einen epileptischen Anfall zu haben. Ich rief den Hausarzt schlechten Gewissens an, denn Putla lag nackt in meinem Bett; der Arzt kam, beruhigte mich, dass es zwar tatsächlich ein epileptischer Anfall war, aber dass ein solcher einzelner Anfall weder aussergewöhnlich noch beunruhigend sei. Der Anfall würde vorübergehen, sicher sei es die Vorfreude auf die Reise - nun folgte ein Exkurs über Somatisierung und dass Putla die Hilfe eines Psychiaters brauche - der Arzt gab Putla eine Spritze, die den Anfall beendete und in tiefen Schlaf überleitete - Putla lag nun mit derart verführerisch gelösten Gliedern nackt vor uns, dass der verheiratete Mediziner ein vielsagendes "er sieht gut aus" nicht unterdrücken konnte.
Gegen Mittag dann, während Putla noch schlief, kam ein Anruf von seinem Lehrer für ihn. "Er schläft noch."
"Bitte richten Sie ihm aus, er möge mein Verhalten von gestern entschuldigen. Er weiss, worum es geht. Es tut mir sehr leid."
Ich übte mit der Kaffeemühle, das Geräusch weckten ihn auf; er kam, "lass mich das machen," gelösten Gesichtes, mich fröhlich anschauend, seine Fröhlichkeit machte mir Angst, denn ich kannte ja nur seine Maske: "Geht es Dir besser, bist Du sicher, dass Du fliegen kannst?… Herr Hug hat angerufen, er bittet Dich um Entschuldigung..."
"Er hat, ja er hat sich an mich herangemacht und so, während ich spielte... (schon leuchteten seine Augen wieder)..., mit Dir würde ich ja auch... und dann bin ich ausgerastet, Entschuldigung, Du hast ja gesagt, ich brauche mir nichts gefallen zu lassen… tut mir leid… (ich sage ein unanständiges Wort)… vielleicht, aber (geradezu lachend) es hat mir gutgetan; und etwas noch, wenn wir heute verreisen und wenn es Dich nicht verletzt, es ist nicht wichtig und doch es würde mir viel bedeuten, ich meine, wenn ich Giorgi statt Putla sein könnte. Putla heisst ja, du weisst, nichts Schönes, und jetzt bin ich niemandes Putla mehr, nie mehr, ausser für dich, deiner, wenn du es willst, doch lieber wäre ich auch für dich nur noch Giorgi, dein Giorgi."
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