Putla - Junge ohne Lachen
verwitterten Backsteinmauer festhält, sehen wir die einzige Gemütsbewegung, die er in dem Film zeigt, ein zynisches Grinsen.
Zur Projektion war Giorgi Desö eingeladen: Ein kleiner, schmaler, dunkeläugiger Bub mit dem üblichen Skinhead osteuropäischer Heiminsassen, der mit gesenktem Kopf vor sich hin stierte. Bohu stellte ihn mir vor - Giorgi gab mir die Hand ohne aufzublicken - und bot ihn mir auch gleich an, denn "bei den Dreharbeiten habe ich ihn genügend gehabt". Er liess ihn im Kino neben mir sitzen, wobei, um mich zu ermuntern, Bohus Freund Jürgen, der einen Platz weiter sass, mir über Giorgis Kopf hinweg erklärte, dass Giorgi, den sie beide nur Putla nannten, keine Gefühle habe, "er ist eine Maschine". Beim offiziellen Essen danach, erzählte Bohu - alles immer vor Putla, der etwas Deutsch verstand - dass gemäss Putla im Waisenhaus die Grösseren und die Wärter ihn "an schlechten Tagen zehnmal am Tage, aber in guten Wochen nur ein paarmal pro Woche" zusammengeschlagen und vergewaltigt hatten. Ich bestellte für ihn, was hier statt Cola verkauft wurde, und er trank mit wissendem, unhöflichem Grinsen. Bohu fragte mich - immer alles vor Giorgi oder Putla - wie mir der Bub gefiel, und ich sagte, "nicht schlecht". Putla folgte mir so fraglos, als hätte ich ihn gekauft; er sass neben mir, stumm duldete er, dass ich ihm im Dunkeln den Arm um die Schultern legte, selbstverständlich das Eis essend, das ich ihm kaufte, ohne Dank, das Gesicht, in dem zwei unsichere Augen flackerten - sobald das Licht anging, - aggressiv abgewendet. Verschiedene Filmleute kamen auf uns zu und gratulierten ihm zu seinem Filmdebüt; er grinste frech, und auf die Frage, was er weiter mache, antwortete er mit einem so rüden "was geht Dich der Scheiss an", dass jedem Frager die Lust verging, weiter mit ihm zu sprechen. Er begleitete mich zynisch komplizenhaft wie ein Grossstadtstricher, der vorher noch zum Essen eingeladen wird, zum Bankett, das Stunden dauerte, mit Reden, denen keiner zuhörte, der normalen Gerüchteküche über zwanzig Tische. Putla sass mit gesenktem Kopf neben mir, bis ihn das endlose Geschwätz einlullte und er, nun mit naivem Kindergesicht, langsam gegen meine Schulter rutschte.
Endlich kamen wir bei Bohu an, wo wir schlafen sollten. Bohu drängte mir Putla geradezu auf und hiess ihn im gleichen Zimmer im gleichen Doppelbett schlafen. Er instruierte Putla grob auf slowakisch, dann wünschten Bohu und Jürgen uns "Gute Nacht miteinander!", endlich war die Schlafzimmertüre zu.
Er zog sich aus und legte sich nackt auf das Bett, nicht verführerisch nackt, sondern mager und nackt bereit, ich löschte das Licht und legte mich neben ihn; bevor meine Hände Zeit hatten, seinen Körper kennenzulernen, war er schon zusammengekrümmt, beschäftigt zu tun, was ihm Bohu vermutlich befohlen hatte. Ich hätte vorgezogen, ihn zu streicheln und zu küssen, doch tat er, was er tat, so gut, dass ich mich in seinen Willen ergab, seine Haare und seine Schultern streichelte, während er in mir Gefühle auslöste, von denen ich längst vergessen hatte, dass Sex sie umfassen konnte. Das erledigt, legte er sich neben mich, erduldete starr, dass ich ihn dankbar küsste. Während ich noch seinen schmalen Körper liebkoste, schlief er in meinen Armen ein.
Am Morgen versuchte ich, ihn zu befriedigen, er stellte mir seinen Körper ohne Einschränkung zur Verfügung, ohne Wärme, ohne Sympathie liess mit sich machen, was auch immer.
Aus der Schweiz hatte ich Schokolade und ein Militärmesser mitgebracht hatte für den Fall, dass ein Beamter zu beschenken sei. Ich holte diese Geschenke und gab sie ihm. Er öffnete das Messer, probierte die Schärfe, indem er sich den Arm ritzte, bis Blut kam. Er teilte die Schokolade mit mir. Ich lag auf dem Bett und betrachtete seinen nackten Körper. Er sass auf dem Bettrand, probierte Klinge und Ahle an seinem Körper aus, die schöne Gestalt, die verdorbene Fratze. Ich gestand mir ein, dass er gestört sein musste. Ich legte ihm meine Hand um den Bauch, zog ihn neben mich, schloss die Augen und schlief ein; als ich erwachte, schlief auch er neben mir, den rechten Arm über meine Brust, den Kopf an meiner Schulter und sein rechtes Bein über meinem linken, der schönste Bub der Welt.
Wir frühstückten im Kreuzberg-Stil an einem Tisch voller von Jürgen aus Berlin mitgebrachter Packungen mit Brot, Käse, Leberwurst, Aufschnitt, Butter, Zucker, Milch, Gläsern mit Konfitüre und Erdnussbutter,
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