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Putla - Junge ohne Lachen

Putla - Junge ohne Lachen

Titel: Putla - Junge ohne Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Frank
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bleicher, sagte ich, "wenn Du mir Deine Karte gibst, geb’ ich Dir meine", und hielt ihm die gefaltete Karte hin. Er wurde weiss und hielt mir mit zittriger Hand seine gefaltete Karte hin. Es war die Karte mit Sex, doch er hatte in der Toilette überall auf der Karte "Putla = Scheisse" darauf geschrieben; ich gab ihm meine Karte, er nahm sie teilnahmslos, schien sich hinsetzen zu wollen, doch bevor er das Sofa erreichte, sank er ohnmächtig zusammen und glitt vor dem Sofa auf den Boden. Ich sah, dass wir einen Psychiater brauchen würden; im Augenblick konnte ich nur den Hausarzt anrufen, der ein paar Häuser weiter wohnt. Er kam, gab Putla eine Spritze für den Blutdruck und, nachdem er mich aus dem Zimmer geworfen hatte, untersuchte er Putla. Ich hörte ihn energisch mit Putla sprechen; dann kam er heraus und redet mir ins Gewissen, mehr Bewegung, weniger Sex.
    Wir assen, es war spät und nichts mehr zu besprechen, im Fernsehen lief ein Action Film, ich ging zuerst ins Bett, las noch, er kam nach langer Zeit, nackt, geduscht, mit gewaschenen Haaren - er hatte gemerkt, dass ich den Geruch von noch feuchten frisch gewaschenen Haaren erotisch finde -- zeigte mir seine Handgelenke: Auf beiden hatte er mit seinem Messer meine Initialen eingeschnitten, eine dünne Spur von kleinen Blutstropfen zeichnete mein Monogramm. Ich küsste ihn, "ich will das nicht, mach das nie wieder", und küsste ihn wieder und legte ihn hin und küsste ihn und drehte ihn und küsste ihn, doch am Schluss kniete er wieder über mir - der beste Liebhaber, der Liebste, der Schönste, mein Putla.
    Ihn in die Musikschule aufnehmen zu lassen, hiess Einfluss spielen zu lassen, ohne Einfluss geltend zu machen; eine Privatsache, in der ich um einen objektiven Entscheid bat; dass es ungeschickt wäre, mich zu kränken, hiess ja nicht, dass ich gekränkt wäre, wenn Putla abgelehnt würde. Beim Vorspielen hatte er kein Glück, er spielte trotzig, zu laut, zu schnell und, weil ich ihn gewarnt hatte, nicht "Scheisse" zu sagen, beantwortete er alle Fragen nur mit "weisnich". Wäre er wenigstens scheu gewesen, doch trotzig mit gesenktem Gesicht sagte er frech nichts, zum Ohrfeigen.
    Von den anwesenden Lehrerinnen und Lehrern war nur der Hauptlehrer für Geige dafür, ihn aufzunehmen, und, schien mir, nur, weil der Lehrer sich in Putlas Lederhosen vergafft hatte. Meinen Freund offen abzulehnen wollte sich niemand leisten, so wurde es ein "provisorisch, auf Zusehen."
    Die Schule fiel Putla schwer und leicht; schwer, weil er in den theoretischen Fächern mit der deutschen Sprache und seiner ungenügenden Vorbildung zu kämpfen hatte, und leicht, weil er alles, was von ihm auf der Geige verlangt wurde, in kürzester Zeit bewältigte. Wenn er auch nicht darüber sprechen konnte, so fühlte ich doch, wie ihn befriedigte, sich mit anderen zu messen und überlegen zu sein. Wenn ich abends noch zu lesen hatte, so hiess ich ihn üben, um ihn zu beschäftigen - es war eine Freude zu hören, wie ernst er arbeitete.
    Die Lehrer fanden Putla, wie zu erwarten war, einen mühsamen Schüler, unzugänglich, trotzig, frech, aber auch pünktlich, fleissig, exakt. Sein Hauptlehrer wendete viel Zeit für Putla auf, seine Grobheit und Putlas Kadavergehorsam ergänzten sich; ich hörte, dass von "zum Erfolg prügeln" gesprochen wurde. Doch Putla fand, "bei ihm lernt man viel."
    Der Hausarzt machte mich auf eine neue Kung-Fu-Schule in der Nähe aufmerksam; er glaubte, dass Kampfsport Putla helfen könnte, über seine psychischen Probleme wegzukommen.
    Das Training begann täglich um sechs Uhr, vorher oder nachher konnte Putla dort noch Kraft- und Konditionstraining machen. Selbst unsportlich genoss ich, nach dem Training seinen erhitzten Körper in den Armen zu halten. Mit zunehmender Kraft gewann er auch an Selbstbewusstsein. Ich bläute ihm ein, sich von niemandem etwas gefallen zu lassen, auch nicht von mir, weder von Lehrern oder Schülern noch von Homeboys oder Rockern in der Bahn.
    Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Konnte es sein, dass er mich liebte? Nein, das war nicht möglich; aber wenn er mich nicht liebte, war das dann ein faires Geschäft, in das ich ihn da hinein gelockt hatte. Wie lange würde es dauern, bis er es merken, bis er mich verlassen würde?
    Weihnachten nahte, ich kaufte ihm alles, was mir einfiel, doch das wirkliche Geschenk sollte eine Geige sein. Von meinem Vater hatte ich eine Meistergeige geerbt, die ich nun zum Geigenbauer und -händler brachte, sie,

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