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Putla - Junge ohne Lachen

Putla - Junge ohne Lachen

Titel: Putla - Junge ohne Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Frank
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mit Zigarettenbrandwunden übersäten, dünnen Armen, darüber abgewendet sein schönes zerstörtes Gesicht, der kahle Kopf über den schlanken Schultern, dem flachen starken Rücken.
    Er kochte für mich: Mittagessen war ein Teller hier, ein Teller dort, eine Gabel hier, eine Gabel dort, ein Glas hier, ein Glas dort, die Colaflasche, Teigwaren, Salz, Wasser, Tomatenpüree; Salatblätter, viel Essig, Salz, kein Öl. Er ass: Den linken Arm um den Teller geschlungen, wolfte er das Essen in sich hinein, der Kopf ging zur Gabel, der rechte Ellbogen hielt den Tisch vom Wackeln ab. Er wusch ab: Die Teller wurden in lauwarmem Wasser mit ein paar Tropfen Abwaschmittel geschwenkt, aus dem grauen Bad aufs Abtropfgestell, mit dem Handtuch getrocknet - seine Hände trocknete er am T-Shirt. Er lernte schnell, einmal gesagt, schon wusste er, Gabel hier, Messer und Löffel dort, Geschirr abspülen, Geschirrtuch, Handtuch, Hände waschen, Socken und Unterhosen wechseln - The rain in Spain falls mainly in the plain - CD nur am Rande anfassen, leiser stellen, wenn jemand anruft.
    Ich bin in einem Alter, in dem man einkaufen möchte, doch nichts mehr braucht. Nun genoss ich, für ihn einzukaufen, tragtaschenweise. Weil er spürte, das mich sein "was geht Dich der Scheiss an" verletzte, sagte er, "sag du", denn noch immer glaubte er nicht, dass er gefragt sein könnte. Ich konnte nach Belieben mit ihm puppenspielen, Lederhosen, schwarze Spitzenhemden, Cowboystiefel.
    Die freien Tage waren schnell vorbei, ich musste arbeiten, er kümmerte sich um den Haushalt, spielte Geige; doch wie wunderbar, nach Hause zu kommen, und er war da, ihn ohne Organisieren, Aufriss und billigen Handel in den Armen halten dürfen nachts, am Morgen aufzuwachen mit seinem schmalen Körper neben mir -- mein Putla. Wo ich auch war, im Büro, auf dem Weg von Sitzung zu Sitzung, nachts, im Bett seinen Atem spürend, erfüllte und verjüngte mich, dass ich noch einmal lieben durfte. Ich kaufte ihm alles, was mir einfiel, CDs und einen CD-Walkman, Laserdisks von Konzerten, und auch eine viel zu teure Uhr; nicht weil ich teure Uhren mag, sondern weil ich auf eine billige nicht eingravieren lassen konnte, was ich ihm von Herzen sagen wollte: Thank you for loving me! Doch während der Verkäufer ihm die Uhr ums schmale Handgelenk legte, sah ich im Spiegel Putlas abgewendetes Gesicht, in dem stand "und dann nehmen Sie sie mir wieder weg."
    Die Filmtage gingen vorbei, auch er, auch ich wurden fotografiert und gefilmt, Bohu und Jürgen hatten ihren Auftritt; wie jedes Jahr Überfluss an Bewundertwerdenwollenden, Mangel an Bewunderern. Meine Rolle war, die offizielle Meinung auszudrücken, dass gerade auch das Misslungene, Nachkreierte, faul Geschriebene und fleissig Gedrehte seinen Sinn habe, dass lokale Halbheiten globale Ganzheiten aufwögen. Putla erntete bewundernde Blicke - Bohu und Jürgen waren nicht diskret - und ich wurde oft auf ihn angesprochen.
    Nach den Filmtagen wusste ich, dass ich mit ihm zusammenbleiben wollte. Doch was wollte Putla? Ich schlug ihm vor, hier in die Musikschule einzutreten, das würde ihm eine Aufenthaltsbewilligung verschaffen. Er sass da, wurde bleicher und bleicher, je mehr ich auf ihn einredete, ihn drängte, mir zu sagen, was er wolle. Er sass stumm da, ich kam mir zunehmend billiger und schäbiger vor, denn was ich anbot, war doch Sex und Komfort oder Waisenhaus, Vergewaltigung, Armut. War ich bereit, ihn bei mir zu behalten ohne Sex? Ich war mir nicht sicher, doch bot ich es ihm an. Er sagte nichts, bleich, mit gesenktem Gesicht.
    Ich nahm ein paar Briefkarten und schrieb auf eine "Bei David bleiben ohne Sex", auf die nächste "Bei David bleiben mit Sex", auf eine weitere "Ins Waisenhaus zurück gehen". Dann gab ich ihm die drei Karten und sagte: "Überlege es Dir gut und lege mir morgen die Karte, die Du wählst, in die Schreibtischschublade." Putla nahm die Karten, las sie, verriss sogleich zwei in kleine Stücklein, faltete eine und versorgte alles in seiner Hosentasche; dann sagte er: "Kann ich auch ein paar Karten haben?" Ich gab ihm ein Bündel, Putla setzte sich von mir entfernt an den Esstisch und begann zu schreiben. Er kam zurück und gab mir ein paar Karten, "sag Du." Dann ging er schnell raus.
    Auf seinen Karten stand "Hau ab", "Fickarsch", "Sklave".  Ich nahm eine andere Karte, schrieb "Putla, ich liebe Dich" darauf und faltete sie zusammen, wie er es getan hatte. Als er wieder ins Zimmer kam, nach langer Zeit, noch

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