Putla - Junge ohne Lachen
falls sie das wert war, aufzufrischen für ihn, falls nicht, eine bessere zu finden; das Urteil war günstig. So liess ich sie auffrischen und kaufte einen modernen Geigenkasten aus Fiberglas.
Am Weihnachtsabend dekorierte Putla Wohn- und Esszimmer mit Tannenzweigen und Weihnachtsschmuck, zündete ein Feuer im Chemie an, legte die Weihnachtslieder-CD der Wiener Sängerknaben auf, und nach dem Essen zeigte er mir, was er für mich gemacht hatte, eine Krippe mit bemalten Tonfiguren. Dass er, den ich so hilflos begehrte, insgeheim viele Stunden gearbeitet hatte, um mir eine Freude zu machen, rührte mich zu Tränen. Er erklärte mir sofort, bei jeder Figur, Stall und Krippe, was daran falsch und schlecht war, warum alles und jedes misslungen war - und doch war er stolz.
Ich holte das Paket mit der Geige meines Vaters im neuen Kasten hervor; er öffnete schnell das Papier, klappte den Kasten auf, stimmte und spielte eine halbe Minute, dann legte er die Geige in den Kasten und gab sie mir zurück, "sie ist zu gut für mich. Ich bin nicht gut genug, wenn ich sie kaputtmache, bin ich nicht schuld."
Dass er nicht begriff, dass ich ihm Freude machen wollte, dass ich mich darauf gefreut hatte, ihn zu überraschen, verletzte mich furchtbar. Wir packten noch aus, was andere uns oder ich ihm eingekauft hatten, doch ich mit Tränen in den Augen, er trotzig immer wieder feststellend, dass er mich nie um etwas gebeten habe, bis ich am Schluss so frustriert und wütend war, dass ich ihn anschrie, wenn er jetzt die Geige nicht nehme, so… (es fiel mir nichts ein, denn ich wollte ihn ja nur freuen) …oder sonst solle er mir wenigstens ehrlich sagen, wieso er sie nicht wolle, er könne auch eine andere haben, aber der Geigenbauer hätte gesagt, sie sei gut. "Natürlich ist sie wunderbar; darum wird es Dich später reuen, dass Du sie mir gegeben hast, oder ich mache sie kaputt oder…" Beim Streiten hatte ich nicht bemerkt, dass er längst wieder kreideweiss war, nun brach er zusammen; ich hatte alles falsch gemacht; wieder musste ich den Arzt zu Hilfe rufen. Am nächsten Morgen fanden wir dann nach langem Hin und Her zu einem Kompromiss, der mich nicht freute, aber besser war als das Geschenk, von dem ich mir so viel versprochen hatte, wieder zu versorgen: Ich würde die Geige behalten, versichern, und er würde sie spielen. Es war ein kalter sonniger Morgen; um auf andere Gedanken zu kommen, gingen wir spazieren, doch ich kam nicht auf andere Gedanken, langsam holte ich aus ihm seine Überlegungen heraus: Solange ich ihn bei mir behielt, würde mir ja vielleicht nichts ausmachen, wenn er auf der Geige spielte, solange er sie nicht kaputtmachte, und wenn er mir einmal verleiden sollte, so hätte ich noch die Geige, vielleicht, falls ich jemand anderes treffen sollte, der auch Geige spielte… - "Und Du, was ist mit Dir, angenommen, Du lebst später einmal nicht mehr mit mir zusammen, würde das Dir dann nicht weh tun, auf die Geige zu verzichten?" Endlich hatte ich es getroffen, wie ein Vulkan brach aus ihm heraus: "Wenn ich nicht mehr bei Dir leben darf, meinst Du dann kümmert mich die Geige noch? Dann brauch ich sicher keine Geige mehr, sicher nicht, ganz sicher nicht!"
Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich mit dem Geschenk um seine Liebe bettelte, dass ich es war, der ihn brauchte, ohne ihn nicht leben konnte, nicht er - obwohl objektiv er von mir lebte. Weil er wusste, dass es tausend Putlas gab und sich für den wertlosesten davon hielt, diente er mir tagsüber mit verbissenem Eifer und nachts mit selbstverachtender Hingabe, die im Dunkeln in orgiastische Hemmungslosigkeit umschlug. Und je mehr ich ihn liebte, um so mehr war er überzeugt, ich liebe ihn, weil er mich befriedige, und nur so lange - wie konnte ich ihm erklären, dass ich längst dem Geruch seiner Haut, der Wärme seines Körpers in der Nacht, dem Ton seiner Stimme verfallen war. Womit hatte ich verdient, geliebt zu werden von einem, dem seine Schönheit nichts galt, der für mich bis halb eins nachts wachblieb, mich in beissender Kälte am Bahnhof abholte, um mich die Viertelstunde Heimweg zu begleiten, um mich eine Viertelstunde früher zu sehen.
Doch während er in allem mein Glück suchte, fürchtete ich, ihm zu seinem zu helfen, denn war nicht mein Glück auf seinem Unglück aufgebaut? Waren es nicht die Ketten, die sein Gemüt fesselten, die ihn an mich banden? Der Hausarzt drängte mich, Putla zu einem Psychiater zu schicken - sah ich denn nicht,
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