Pyramiden
Anlagen. Hinzu kamen intensive Aromen, die Vorstellung von Löwen und Nilpferden weckten.
Einer der Ruderer klopfte dem jungen Assassinen auf die Schulter und half ihm von Bord. Teppic trat in kniehohes Wasser, und als er sich nach einigen Schritten umdrehte, war das Boot kaum mehr als ein Schemen, der bereits wieder flußabwärts schwebte.
Er gab seiner natürlichen Neugier nach und überlegte, wo es tagsüber versteckt sein mochte. Es schien sich um ein Boot zu handeln, das normalerweise nur des Nachts unterwegs war und Aufmerksamkeit scheute; vielleicht verbarg es sich im hohen Sumpfgras des Deltas.
Teppic wußte natürlich, daß er als Nachfolger seines Vaters gewisse Pflichten wahrnehmen mußte. Er beschloß, regelmäßig Patrouillen in den Sumpf zu schicken – ein Pharao sollte wissen, was in seinem Reich geschah.
Plötzlich verharrte er im lehmbraunen Wasser. Er hatte alles gewußt.
Er erinnerte sich an einen Arthur, der von Möwen, Flüssen und Brotlaiben erzählte, aus denen grüne Halme wuchsen – das typische Gerede eines Betrunkenen. Als Teppic nach einem tranceartigen Schlaf erwachte, zitterte das Gefühl in ihm, einen kostbaren Schatz verloren zu haben. Die überaus bedeutsamen Erkenntnisse eines realen Traums verflüchtigten sich mit der Rückkehr einer realeren Realität. Ja, er hatte alles gewußt. Doch als er sich daran zu entsinnen versuchte, tropften die Reminiszenzen aus seinem Kopf, wie Wasser aus einem lecken Eimer.
Aber diese eigentümliche Erfahrung blieb nicht ohne Folgen. Zuvor lebte er von einem Tag zum anderen, ließ seine Existenz von Zufällen bestimmen. Jetzt erstreckte sich ein gerader Pfad mit unübersehbaren Wegweisern vor ihm. Das Schicksal mochte ihn daran hindern, ein richtiger Assassine zu sein, aber er war sicher, ein guter Pharao werden zu können.
Teppic stapfte an Land. Das Boot hatte ihn eine knappe Meile vor dem Palast abgesetzt, und am anderen Ufer flackerten die vertrauten Entladungsblitze der Pyramiden.
Die Heime der Toten boten sich in verschiedenen Größen dar, aber was die Form betraf, herrschte keine annähernd so große Mannigfaltigkeit. Am Stadtrand standen die Pyramiden dicht an dicht, als liebten ihre Bewohner die Gesellschaft der Lebenden.
Selbst die ältesten waren vollständig und komplett. Niemand hatte sich den einen oder anderen Stein ausgeliehen, um Häuser oder Straßen zu bauen. Dieser Umstand erfüllte Teppic mit Stolz. Niemand hatte die Zugänge aufgebrochen, um festzustellen, ob einige der Mumien irgendwelche kostbaren Gegenstände besaßen, die sie nicht mehr brauchten. Es verstrich kein einziger Tag, ohne daß man Tabletts mit Speisen in den kleinen Vorkammern abstellte – ein großer Teil des Palastpersonals kümmerte sich um die Verpflegung der Toten.
Manchmal verschwand das Essen, manchmal nicht. Aber in dieser Hinsicht vertraten die Priester einen unerschütterlich festen Standpunkt. Ganz gleich, ob leere oder gefüllte Teller zurückblieben: Die Toten hatten ihre Mahlzeiten eingenommen. Niemand wußte, ob es ihnen schmeckte; sie beklagten sich nie, verlangten nie eine zusätzliche Portion.
Sorgt dafür, daß es den Toten an nichts fehlt, sagten die Priester. Dann schenken sie euch ihr Wohlwollen.
Ein vernünftiger Rat – immerhin waren die Toten weit in der Mehrzahl.
Teppic schob das Riedgras beiseite, strich seine Kleidung glatt, klopfte einige Lehmbrocken von den Ärmeln und marschierte in Richtung Palast.
Weiter vorn, eine dunkle Silhouette vor dem Entladungslicht der Pyramiden, stand die große Statue Khufts. Vor siebentausend Jahren hatte Khuft sein Volk aus … Teppic erinnerte sich nicht mehr daran. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Ort, an dem sich Khufts Volk aus guten Gründen nicht wohl gefühlt hatte – manchmal bedauerte der junge Assassine und Pharao seine lückenhaften Geschichtskenntnisse –… geführt und in der Wüste gebetet, woraufhin ihm die lokalen Götter das Alte Königreich zeigten. Er hatte es betreten, fürwahr, und Besitz davon ergriffen, auf daß es zur Heimat seiner Nachkommen werde. Irgend etwas in der Art. Wahrscheinlich gab es in der Legende viele Fürwahrs und Wahrlich, die mit Milch und Honig in Zusammenhang standen. Teppic betrachtete das patriarchalische Gesicht, den ausgestreckten Arm, ein Kinn, das harten Felsen zertrümmern konnte, und dieser Anblick vermittelte ihm eine deutliche Botschaft.
Er befand sich wieder zu Hause. Und er war fest entschlossen, für immer zu
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