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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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weit tritt der Ankh nicht einmal im Frühling über die Ufer.«
    »Vielleicht sollten wir Federn unter Teppics Nase verbrennen«, schlug Schelter vor.
    »Am besten die der komischen Möwe«, knurrte Arthur.
    »Möwe?«
    »Du hast sie ja gesehen.«
    »Was ist damit?«
    »Du hast sie doch gesehen, oder?« Das dunkle Feuer der Ungewißheit brannte in Arthurs Augen. Die Möwe war während der allgemeinen Aufregung verschwunden.
    »Meine Aufmerksamkeit galt anderen Dingen«, sagte Schelter zurückhaltend. »Vielleicht lag es an den Pfefferminzwaffeln, die man uns mit dem Kaffee servierte. Sie schmeckten irgendwie komisch.«
    »Ganz schön unheimlich, der Vogel«, murmelte Arthur. »Wie wär’s, wenn wir eine kleine Pause einlegen, damit ich das Wasser aus meinen Stiefeln schütten kann?«
    Sie verharrten in unmittelbarer Nähe einer Bäckerei, deren Türen geöffnet waren, so daß die Brotlaibe abkühlen konnten. Schelter und Arthur lehnten ihren Gefährten an die Wand.
    »Er sieht aus, als habe ihm jemand einen Schlag an den Kopf versetzt«, sagte Schelter. »Der Eindruck täuscht, nicht wahr?«
    Arthur nickte. Ein vages Lächeln klebte an Teppics Lippen, und sein Blick verlor sich in irgendeiner fremden Dimension.
    »Wir sollten ihn zurückbringen, damit er vom Gildensanitäter untersucht werden …«
    Arthur unterbrach sich, als er ein seltsames Rascheln hörte. Die Brotlaibe hüpften fröhlich hin und her. Einige fielen zu Boden und zitterten dort wie auf dem Rücken liegende Käfer.
    Dann platzten sie auf und entwickelten Dutzende von grünen Trieben.
    Innerhalb weniger Sekunden wuchs hohes Korn mit dicken Ähren. Schelter und Arthur setzten den Weg fort, brachen den Weltrekord im Hundert Meter Gemütlich Gehen, während sie Teppic zwischen sich festhielten.
    »Stellt er das alles an?«
    »Ich habe da so ein komisches Gefühl …« Arthur drehte den Kopf und sah einige Bäcker, die mit verständlicher Überraschung auf die Vollkorn-Ergebnisse ihrer nächtlichen Arbeit starrten. Der junge Assassine blieb so plötzlich stehen, daß seine beiden Kollegen wie ein Ruder herumschwangen.
    Nachdenklich beobachteten sie die Straße.
    »So etwas sieht man nicht jeden Tag«, sagte Schelter schließlich.
    »Meinst du das Gras, das überall dort wächst, wo Teppics Füße den Boden berühren?«
    »Ja.«
    Sie wechselten einen kurzen Blick und betrachteten Teppics Stiefel. Bis zu den Waden stand er in saftigem Grün, das aus dem viele Jahrhunderte alten Kopfsteinpflaster sproß.
    Wortlos griffen sie nach den Ellbogen ihres Freundes und hoben ihn an.
    »Der Sani«, sagte Arthur.
    »Genau«, pflichtete ihm Schelter bei.
    Sie wußten beide, daß die Behandlung wahrscheinlich mehr erforderte als nur einen heißen Umschlag.
     
    Der Arzt lehnte sich zurück.
    »Völlig klare Sache«, sagte er und überlegte angestrengt, »ein Fall von Mortis portalis tackulatum mit Komplikationen.«
    »Was bedeutet das?« fragte Schelter.
    »Anders ausgedrückt …«, sagte der Doktor, »er ist so tot wie ein rostiger Türnagel.«
    »Und die Komplikationen?«
    Der Arzt verzog das Gesicht. »Er atmet noch immer«, antwortete er. »Sein Puls schlägt Purzelbäume, und die Haut ist so heiß, daß man Spiegeleier darauf braten könnte.« Er zögerte und kam zu dem Schluß, daß seine Erklärungen zu einfach waren. Die Medizin gehörte zu den jüngsten Wissenschaften auf der Scheibenwelt, und sie hatte nur dann eine Zukunft, wenn man sie nicht ohne weiteres verstand.
    Sorgfältig legte er sich die einzelnen Silben zurecht. »Pyrocerebrum oeurf culinaire«, sagte er.
    »Hm«, kommentierte Arthur. »Können Sie ihm helfen?«
    »Nein. Er ist tot. Alle medizinischen Tests beweisen es. Daher gebe ich Ihnen folgenden, äh, Rat. Begraben Sie ihn. Sorgen Sie dafür, daß er es bequem und kühl hat. Sagen Sie ihm, daß er nächste Woche noch einmal zu mir kommen soll, vorzugsweise am Tag.«
    »Aber er atmet noch immer!«
    »Typische Reflexe, die einen Laien verwirren können«, kommentierte der Arzt würdevoll.
    Schelter seufzte. Die übrigen Angehörigen der Gilde hatten unübertroffene Erfahrung mit scharfen Messern und menschlicher Anatomie, und vermutlich wären sie weitaus eher in der Lage gewesen, eine elementare Diagnose zu erstellen. Sicher, gewöhnliche Assassinen töteten ab und zu, aber wenigstens verlangten sie von ihren Opfern nicht, dankbar zu sein.
    Teppic öffnete die Augen.
    »Ich muß nach Hause zurückkehren«, sagte er.
    »Tot, nicht wahr?«

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