Pyramiden
zusätzlichen Bratensaft gab. (Aber dann dachte Teppic an den jährlichen Assassinenball, und sein Herz klopfte schneller. Von jungen Assassinen erwartete man, daß sie sich gut benahmen und ausgezeichnet tanzten. Hinzu kamen erstklassige Kleidung aus schwarzer Seide und lange Beine, Attribute, die bei gewissen älteren Frauen nicht ohne Wirkung blieben. Die ganze Nacht über wirbelten Teppic und seine Freunde in weiblicher Gesellschaft über die Tanzfläche, bis Moschusduft und Begierde die Luft in Öl verwandelten. Mit seinem unschuldigen Gesicht und dem ungezwungenen Gebaren erzielte Schelter besonders leichte Erfolge, und selbst Wochen nach dem Ball kehrte er abends spät zurück. Beim Unterricht fiel er durch sein häufiges Schnarchen auf …)
»Derartige Partnerinnen kommen nicht in Frage, Gebieter. Sie brauchen eine Lebensgefährtin, die mit unserer Kultur vertraut ist. Ihre Tante steht zur Verfügung, Gebieter.«
Irgend etwas klapperte. Dios seufzte und bedeutete den Dienern mit einem Wink, diverse Zeremoniengegenstände aufzuheben.
»Ich schlage vor, wir beginnen noch einmal von vorn, Gebieter. Dies ist der Kohlkopf Pflanzlichen Wachstums …«
»Entschuldigung«, brachte Teppic hervor. »Haben Sie eben gesagt, ich soll meine Tante heiraten?«
»In der Tat, Gebieter«, bestätigte Dios. »Familieninterne Hochzeiten sind eine stolze Tradition des Königshauses.«
»Aber meine Tante ist meine Tante.«
Der Hohepriester rollte mit den Augen. Er hatte den verstorbenen Pharao immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, seinen Sohn richtig zu erziehen. Doch derartige Ermahnungen kratzten nur an einer Mauer aus sturer Sturheit, konnten nicht einmal den Mörtel von ihr lösen. Jetzt mußte er sich selbst darum kümmern. Die Götter stellen mich auf die Probe, dachte er. Es dauerte Jahrzehnte, um einen ordentlichen Monarchen zu schaffen, und mir bleiben nur wenige Wochen.
»Ja, Gebieter«, sagte er geduldig. »Natürlich. Darüber hinaus ist sie Ihr Onkel, Ihre Kusine und Ihr Vater.«
»Einen Augenblick. Mein Vater …«
Dios hob beschwichtigend die Hand. »Nur eine Formsache«, sagte er. »Ihre Ururgroßmutter erklärte einst, aufgrund politischer Zweckdienlichkeit müsse sie Pharao sein, und meines Wissens wurde der entsprechende Erlaß nie widerrufen.«
»Aber sie war eine Frau, nicht wahr?«
Dios wirkte schockiert. »O nein, Gebieter. Sie ist ein Mann. Sie hat ihr Geschlecht mit einem königlichen Dekret geändert.«
»Eine männliche Tante …«
»Ja, Gebieter. Da ich bin ich völlig sicher.«
»Kaum ein geeigneter Ehepartner«, sagte Teppic fest.
»Leider haben wir keine Schwestern.«
»Schwestern!«
»Es wäre verwerflich, ihr heiliges Blut zu verunreinigen, Gebieter«, sagte der Hohepriester. »Die Sonne könnte Anstoß daran nehmen. Nun, Gebieter, dies ist das Schulterblatt der Reinlichkeit. Wo möchten Sie es verstauen?«
Pharao Teppicymon XXVII. beobachtete, wie man ihn ausstopfte. Zum Glück verspürte er seit einiger Zeit keinen Appetit mehr – es war fraglich, ob er jemals wieder in der Lage sein würde, ein Brathähnchen zu verspeisen.
»Mit Nadel und Faden kannst du wirklich gut umgehen, Meister.«
»Sei still und halt den Daumen drauf, Gern.«
»Meine Mutter näht fast ebensogut«, plauderte der Lehrling. »Sie hat eine Schürze mit hübschen Stickereien, meine Mutter.«
»Du sollst stillhalten.«
»Enten und Hennen und so«, fügte Gern hinzu.
Dil konzentrierte sich auf seine Arbeit. Er war durchaus stolz auf seine fachliche Kompetenz. Die Gilde der Einbalsamierer und Artverwandter Berufe hatten ihn mehrmals dafür ausgezeichnet.
»Bestimmt bist du sehr, sehr zufrieden«, verkündete Gern.
»Wie?«
»Nun, meine Mutter sagt immer, nach dem Ausstopfen und Zusammennähen lebe der Pharao irgendwo weiter. In der Unterwelt oder so. Mit deinen Nähmustern.«
Und mit einigen Sack Stroh sowie mehreren Eimern Pech, dachte das Phantom Teppicymons. Und der Verpackung von Gerns Lunchpaket. Er machte dem Lehrling deshalb keine Vorwürfe – Gern wußte nicht mehr, wo er es hingelegt hatte. Den Rest der Ewigkeit muß ich mit Einwickelpapier anstelle meines Magens verbringen. Und dem Stummel einer vergessenen Bockwurst.
Inzwischen empfand er eine gewisse Sympathie für Dil und auch Gern. Außerdem: Irgend etwas schien ihn noch immer mit seinem Körper zu verbinden – der Pharao spürte zunehmendes Unbehagen, wenn er sich mehr als hundert Meter entfernte –, und das gab
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