Pyramiden
wie gräßlich es wäre, in der Unterwelt keine, äh, ästhetische Erneuerung zu erfahren.«
Pharao Teppicymon XXVII. schüttelte den Kopf. Im Leben müssen wir alle gleich aussehen, dachte er betrübt. Und jetzt sorgt man dafür, daß wir uns auch im Tod nicht voneinander unterscheiden. Was für ein Königreich. Er senkte den Kopf und beobachtete die Seele der verstorbenen Katze, die gerade ihr Fell leckte. Zu seinen Lebzeiten hatte er solche Tiere gehaßt, aber jetzt freute er sich fast darüber, Gesellschaft zu haben. Vorsichtig strich er dem Wesen über den flachen Kopf. Die Katze schnurrte kurz und versuchte dann, ihm die Haut von den Fingern zu kratzen – sie hatte wenig Erfolg damit.
Kurze Zeit später hörte Teppicymon entsetzt, daß die beiden Meister und der Lehrling über eine Pyramide sprachen. Über seine Pyramide. Sie sollte die größte werden, die jemals errichtet worden war. Als Bauplatz hatte man besonders fruchtbaren Boden im besten Viertel der Nekropolis ausgewählt. Im Vergleich zu seiner Pyramide würden alle anderen wie etwas aussehen, das Kinder im Sandkasten bauten. Der Plan sah vor, sie mit marmornen Gärten und granitenen Obelisken zu umgeben. Das prächtigste, wundervollste und teuerste Grabmal, das jemals ein Sohn seinem Vater geschenkt hatte.
Teppicymon stöhnte.
Ptaclusp stöhnte.
Damals, als sein Vater noch lebte, war alles besser gewesen. Man brauchte nur ziemlich viele, hübsch rund zugeschnittene Baumstämme und zwanzig Jahre Zeit, was durchaus seine Vorteile hatte: Es ersparte eine Menge Ärger, wenn während der Überschwemmung alle Felder unter Wasser standen. Jetzt genügte ein aufgeweckter, gebildeter Bursche, der mit einem Stück Kreide umzugehen verstand und die richtigen Beschwörungen kannte.
Nun, eine recht eindrucksvolle Sache – wenn man so etwas mochte.
Ptaclusp IIb wanderte um einen großen Steinblock herum, schrieb hier eine Gleichung und brachte dort eine hermetische Inschrift an. Er sah auf und nickte seinem Vater zu.
Ptaclusp eilte zum Pharao zurück, der mit seinem Gefolge auf der Klippe am Steinbruch stand. Helles Sonnenlicht glitzerte über seine goldene Maske. Ein königlicher Besuch, auch das noch …
»Wir können anfangen, wenn Sie möchten, o strahlender Himmelsbogen«, sagte der Architekt. Er begann zu schwitzen und hoffte ungeachtet aller Anzeichen …
Bei den Göttern! Der Pharao wollte erneut mit ihm plaudern.
Ptaclusp warf dem Hohenpriester einen flehentlichen Blick zu. In Dios’ faltigem Gesicht zuckte kaum merklich ein Muskel, und die Botschaft lautete: Tut mir leid; ich kann Ihnen nicht helfen. Das geht wirklich zu weit, dachte der Architekt. Und ich bin nicht einmal der einzige. Der Oberste Einbalsamierer Dil mußte erst gestern eine halbe Stunde von seiner Familie erzählen, und das ist völlig falsch, ich meine, man erwartet vom Pharao, daß er in seinem Palast bleibt, hier wird gearbeitet, und außerdem …
Seine Majestät schlenderte näher, und sein lässiges Gebaren sollte dem Baumeister das Gefühl geben, unter Freunden zu sein. O nein. Grauen erfaßte Ptaclusp. Vielleicht erinnert er sich sogar an meinen Namen.
»Ich muß sagen, in den vergangenen neun Wochen haben Sie Erstaunliches geleistet«, begann der Pharao. »Äh. Ptaclusp, nicht wahr?«
Der Architekt schluckte, und Verzweiflung keimte in ihm auf, trug Früchte der Panik.
»O Quelle des Wüstenwassers«, erwiderte er. »O Hüter des …«
»Ich glaube, ›Euer Majestät‹ oder ›Gebieter‹ genügt«, sagte Teppic.
Ptaclusp erzitterte und sah noch einmal zu Dios. Der Hohepriester schnitt eine Grimasse und nickte.
»Der Pharao möchte ganz«,– in den zerfurchten Zügen zeigte sich so etwas wie Schmerz –, »formlos und ungezwungen mit Ihnen sprechen. Er liebt die Umgangsformen barba … fremder Länder.«
»Bestimmt sind Sie sehr stolz auf Ihre begabten und fleißigen Söhne«, sagte Teppic und deutete nach unten. Im Steinbruch herrschte reger Betrieb.
»Wie Sie befehlen, o … Gebieter«, murmelte Ptaclusp, der glaubte, gerade eine Anweisung empfangen zu haben. Warum begnügte sich der Pharao nicht damit, die Untertanen herumzukommandieren, so wie seine Vorgänger und all die anderen Majestäten? Warum muß er mich unbedingt freundlich und zuvorkommend behandeln? dachte Ptaclusp kummervoll. Als sei auch ich in der Lage, die Sonne aufgehen zu lassen …
»Es muß ein faszinierendes Gewerbe sein«, fuhr Teppic fort.
»Wie Sie wünschen, Gebieter«,
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