Pyramiden
erwiderte der entsetzte Mann.
»Tja, faszinierend«, sagte Teppic, griff nach der schlaffen Hand des Arbeiters und schüttelte sie.
»Gebieter!« rief Dios. »Nein!«
Der Steinmetz wirbelte um die eigene Achse, hielt seine Hand am Gelenk, kämpfte dagegen an und schrie …
Teppic umfaßte die Armlehnen des Throns und musterte den Hohenpriester.
»Aber es war doch nur eine freundliche Geste, weiter nichts. In meiner Heimat …«
»Ihre Heimat ist hier, Gebieter!« donnerte Dios.
»Trotzdem. Ich meine: einfach abhacken? Das erscheint mir ziemlich grausam.«
Dios trat vor, und seine Stimme klang wieder so, als habe man sie gründlich geölt.
»Grausam, Gebieter? Man wird die notwendige Sorgfalt walten lassen, und außerdem bekommt der Mann vorher ein schmerzstillendes Mittel. Er verliert seine Hand, nicht das Leben.«
»Aber warum?«
»Ich habe es Ihnen bereits erklärt, Gebieter. Er kann die Hand nicht noch einmal benutzen, ohne sie zu beschmutzen. Das weiß er natürlich – immerhin ist er sehr fromm. Wissen Sie, Gebieter, Sie sind ein Gott, Gebieter.«
»Aber Sie berühren mich. Ebenso die Bediensteten.«
»Ich bin Priester, Gebieter«, entgegnete Dios sanft. »Und das Personal hat eine Sondergenehmigung.«
Teppic biß sich auf die Lippe.
»Es ist barbarisch«, sagte er.
Dios’ Gesicht blieb unbewegt.
»Niemand wird ihm die Hand abschneiden«, fuhr Teppic fort. »Ich bin der Pharao. Ich will, daß der Steinmetz seine Hand behält.«
Der Hohepriester verneigte sich, und Teppic erkannte die Version Nummer 49: erschrockene Verachtung.
»Wie Sie wünschen, o Quell aller Weisheit. Aber wenn Sie gestatten, Gebieter: Vielleicht nimmt der Mann diese Angelegenheit selbst in die, äh, Hand.«
»Was soll das heißen?« fragte Teppic scharf.
»Wenn die Kollegen des Arbeiters nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen wären, Gebieter, hätte er sich die Hand, äh, eigenhändig abgehackt. Mit einem Meißel, wie ich hörte.«
Teppic starrte Dios groß an und dachte: Ich bin ein Fremder in meinem eigenen Land.
»Ich verstehe«, sagte er nach einer Weile.
Der junge Pharao überlegte.
»Na schön. Offenbar läßt sich die Operation nicht vermeiden. Aber ich möchte, daß er eine Pension bekommt, klar?«
»Ihr Wille ist mir Befehl, Gebieter.«
»Ich meine ein angemessenes Ruhegeld.«
»Ja, Gebieter«, sagte Dios ruhig. »Es soll ihm an nichts fehlen, Gebieter. Nur an der Hand, Gebieter.«
»Und vielleicht könnten wir ihm einen leichten Job im Palast beschaffen.«
»Derzeit herrscht kein Mangel an einhändigen Steinmetzen, Gebieter«, gab Dios zu bedenken und wölbte die linke Braue.
»Vielleicht ist eine andere Stelle für ihn frei.«
»Gewiß, Gebieter. Wie Sie wünschen, Gebieter. Ich stelle fest, ob es irgendwo an Personal fehlt. Vielleicht können wir eine zusätzliche Hand gebrauchen.«
Teppic bedachte den Hohenpriester mit einem finsteren Blick. »Ich bin der Pharao«, betonte er.
»Es vergeht keine Minute, ohne daß ich daran denke, Gebieter.«
»Dios?« fragte Teppic, als sich der Priester umwandte.
»Gebieter?«
»Schon vor einigen Wochen habe ich ein Federbett aus Ankh-Morpork bestellt. Sie wissen nicht zufällig, was daraus geworden ist?«
Dios vollführte eine umfassende Geste.
»Man hat mir berichtet, daß sich vor der khalianischen Küste viele Piraten herumtreiben, Gebieter«, sagte er.
»Vermutlich sind die Piraten auch dafür verantwortlich, daß ich bisher vergeblich auf den angeforderten Spezialisten von der Gilde der Klempner, Installateure und Fallnichtrein 16 gewartet habe«, kommentierte Teppic ironisch.
»Ja, Gebieter. Oder vielleicht Räuber, Gebieter.«
»Oder ein zweiköpfiger Riesenvogel hat angegriffen und den Fachmann fortgetragen«, warf Teppic ein.
»Selbst das wäre möglich, Gebieter«, erwiderte der Hohepriester. Sein Gesicht war erstarrte Höflichkeit.
»Sie können jetzt gehen, Dios.«
»Gebieter. Darf ich Sie daran erinnern, Gebieter, daß die Gesandten von Tsort und Ephebe zur fünften Stunde auf Sie warten?«
»Ja. Gehen Sie jetzt.«
Dios verließ den Thronsaal, und Teppic blieb allein zurück. Mit anderen Worten: Er blieb in der Gesellschaft eines Fächerwedlers, eines Dieners und zweier großer Wächter aus Wiewunderland, die an der Tür standen. Hinzu kamen einige Dienstmädchen.
O ja. Dienstmädchen. Teppic wußte noch nicht recht, was er von ihnen halten sollte. Offenbar wurden sie von Dios ausgewählt – der Hohepriester schien sich um
Weitere Kostenlose Bücher