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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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alles im Palast zu kümmern –, und zumindest in dieser Hinsicht bewies er guten Geschmack, der vor allen Dingen olivfarbener Haut, Busen und Beinen galt. Die Kleidung der derzeit präsenten Dienstmädchen hätte ausgereicht, um eine kleine Untertasse zu bedecken. Woraus sich eine seltsame Wirkung ergab: Die jungen Damen wirkten so attraktiv wie mobile Einrichtungsgegenstände, so aufreizend feminin wie geschlechtslose Säulen. Teppic seufzte, als er sich an die Frauen in Ankh-Morpork erinnerte. Sie mochten von Kopf bis Fuß in Brokat gehüllt sein, aber dennoch gelang es ihnen, Dutzende von jungen, phantasievollen Männern bis zu den Haarwurzeln erröten zu lassen.
    Geistesabwesend griff er nach der Obstschale. Eins der Mädchen eilte sofort herbei, schob behutsam seine Hand fort und griff nach einer Weintraube.
    »Bitte schäl sie nicht«, sagte Teppic. »Die Schale ist besonders lecker. Außerdem enthält sie alle wichtigen Vitamine und Spurenelemente.« Kummervoll fügte er hinzu: »Allerdings weißt du sicher nichts davon, denn man hat sie erst vor kurzer Zeit erfunden. Ich meine, im Verlauf der letzten siebentausend Jahre.«
    Soviel zum Strom der Zeit, dachte er niedergeschlagen. Wenn er wirklich fließt, befinden wir uns auf einer Insel. Vielleicht liegt es an den Pyramiden. Sie sorgen dafür, daß hier alles langsamer abläuft. Man könnte sie mit einem – wie heißt der Gegenstand, den Matrosen auf hoher See über Bord werfen? Nein, ›blinder Passagier ‹ ist falsch …– Treibanker vergleichen. Hier ist das Morgen wie ein aufgewärmtes Gestern.
    Das Dienstmädchen lächelte und schälte die Weintraube, während sich die Sekunden dehnten.
     
    Am Bauplatz der Großen Pyramide gehorchten die Steinblöcke den geheimnisvollen Gesetzen einer umgekehrten Explosion. Sie glitten vom Steinbruch heran, schwebten gemächlich über die Landschaft, gefolgt von rechteckigen Schatten.
    »Eins muß ich dir lassen«, sagte Ptaclusp zu seinem Sohn. Sie standen Seite an Seite im Beobachtungsturm. »Es ist wirklich bemerkenswert. Eines Tages wird man sich fragen, wie wir das fertiggebracht haben.«
    »Die Sache mit den rund zugeschnittenen Baumstämmen und Peitschen ist ein alter Hut«, erwiderte IIb. »Man kann ihn getrost im Kleiderschrank vergessen.« Der junge Architekt lächelte, aber ein Hauch von Unsicherheit zupfte an seinen Mundwinkeln.
    Es war erstaunlich. Sogar noch weitaus erstaunlicher, als es eigentlich sein sollte. Bei diesem Job konnte man abergläubisch werden, wenn man nicht aufpaßte.
    IIb hielt es für völlig normal, daß Dinge dazu neigten, eine Pyramide zu bilden – nun, zumindest einen Kegel. Er hatte an diesem Morgen experimentiert. Korn, Salz, Sand … Nein, Wasser nicht. In dieser Hinsicht mußte er eine Enttäuschung hinnehmen. Nun, wenn man genauer darüber nachdachte, stellten Pyramiden nur Kegel dar, die etwas besser aussehen wollten.
    Vielleicht habe ich es ein wenig mit den parakosmischen Beigaben übertrieben, dachte IIb.
    Sein Vater klopfte ihm auf den Rücken.
    »Gut gemacht«, lobte er. »Weißt du, man könnte fast meinen, die Pyramide baue sich von ganz allein.«
    IIb schnappte nach Luft und biß sich ins Handgelenk, ein eher kindliches Reaktionsmuster, das sich immer dann wiederholte, wenn er nervös wurde. Ptaclusp bemerkte nichts davon. Seine Aufmerksamkeit galt einem Vorarbeiter, der zum Turm lief und mit seinem zeremoniellen Meßstab winkte.
    Ptaclusp beugte sich über die Brüstung.
    »Was ist los?« rief er.
    »Bitte kommen Sie sofort, o Meister!«
    Auf der Plattform in halber Höhe der Pyramide – man arbeitete dort an den Innenausstattungen der einzelnen Kammern – erschien die Bezeichnung ›eindrucksvoll‹ nicht mehr angemessen. Das Wort ›schrecklich‹ beschrieb die Ereignisse weitaus besser.
    Die Steinblöcke vollführten einen langsamen Tanz, stapelten sich wie von Geisterhand bewegt aufeinander. Arbeiter ritten auf ihnen, um dem Kalkstein die Richtung zu weisen, riefen mit lauten Stimmen und winkten. Die Aufseher weiter unten winkten ebenfalls und schrien, um den allgemeinen Lärm zu übertönen. Niemand wußte, wer wem Anweisungen erteilte. Die Steine mißachteten das akustische Durcheinander, beschränkten sich darauf, den Flug zum Bauplatz zu beenden und ihren gebührenden Platz in der architektonischen Struktur einzunehmen.
    Ptaclusp betrat die Pyramide und bahnte sich einen Weg durch das Gedränge. Hier herrschte wenigstens Stille. Gespenstische, unheimliche

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