Pyramiden
Vorstellung«, brummte Teppic und schraubte hastig die Einzelteile zusammen.
»Es gibt weitaus unangenehmere Alternativen«, kommentierte Dios.
Die Dunkelheit störte Teppic nicht – mit den Fingerkuppen strich er über die winzigen codierten Schnitzmuster in den Pfeilschäften. Die meisten der besonders spektakulären Gifte waren inzwischen verdunstet oder hatten einen großen Teil ihres Wirkungspotentials eingebüßt, aber es gab noch einige andere Substanzen, deren Zweck nur darin bestand, dem Opfer tiefen Schlaf zu gönnen. Manchmal mußten Assassinen an mehreren aufmerksamen Wächtern vorbei, um eine bestimmte Person zu inhumieren; es war unhöflich, auch die Soldaten ins Jenseits zu befördern.
»Sie könnten uns gehen lassen«, sagte Teppic. »Das entspricht doch Ihrem Wunsch, nicht wahr? Bestimmt möchten Sie, daß ich das Königreich verlasse und nicht zurückkehre, oder? Nun, soll mir recht sein.«
Dios zögerte.
»Bei solchen Gelegenheiten erwartet man die Bemerkung ›Laß das Mädchen frei‹«, sagte er.
»O ja«, bestätigte Teppic. »Lassen Sie das Mädchen frei!«
»Nein«, widersprach der Hohepriester. »Es wäre eine Vernachlässigung meiner Pflichten dem Pharao gegenüber.«
»Um Himmels willen, Dios, Sie wissen doch, daß ich der Pharao bin!«
»Nein«, beharrte der Priester. »Ich habe eine sehr klare Vorstellung von dem Pharao, und du wirst ihr nicht gerecht, Junge.«
Teppic spähte über den Rand des Kamelstalls. Das Kamel spähte über seine Schulter.
Die ganze Welt schnappte über.
Na schön: Sie wurde noch verrückter.
Alle Pyramiden schienen in Flammen zu stehen, und rußiges Entladungslicht glühte hoch zum Himmel empor, als die Brüder Ptaclusp zur Hauptplattform kletterten.
IIa ließ sich auf die Bretter sinken und keuchte wie ein altersschwacher Blasebalg. Knapp einen Meter entfernt ragte eine schwarze und inzwischen ziemlich heiße Mauer in die Höhe. Nach IIas Meinung konnte nicht mehr der geringste Zweifel daran bestehen, daß die Große Pyramide tatsächlich knarrte, so hingebungsvoll wie ein Segelschiff im Sturm. Über die eigentliche Mechanik hatte er nie sehr gründlich nachgedacht (sie stand in einem gewissen Gegensatz zu den Baukosten), aber inzwischen war er sicher, daß die seltsamen Geräusche so falsch waren wie die Summe V aus der Addition von II und II.
Sein Bruder streckte den Arm aus, um das Gestein zu berühren, aber er zog die Hand sofort wieder zurück, als Funken von seinen Fingern stoben.
»Man kann die hohe Temperatur spüren«, sagte er. »Es ist erstaunlich!«
»Warum?«
»Um eine solche Masse zu erwärmen … Ich meine, viele Millionen Tonnen …«
»Die Sache gefällt mir nicht, Zwei-Be«, wimmerte IIa. »Wir lassen den Schlußstein einfach hier, einverstanden? Bestimmt kommt alles in Ordnung. Morgen früh schicken wir eine Arbeitsgruppe hierher, um den Elektrumblock …«
Er brach ab, als ein neuerlicher Entladungsblitz über den Himmel zuckte und fünfzig Meter weiter oben die Säule aus tanzender Luft traf. IIa hielt sich hastig am Gerüst fest.
»Zum Toifel damit!« platzte es aus ihm heraus. »Ich gehe nach Hause zurück und verkrieche mich unter der Decke.«
»Toifel?« fragte IIb.
»Einer der Geringeren Götter. Glaube ich. Hat Hörner oder so.«
»Oh!« Dem Architekten fiel etwas ein. »He, einen Augenblick. Ich meine, weshalb knarrt die Pyramide? Stein kann nicht knarren.«
»Das ganze verdammte Gerüst schwankt hin und her, du Idiot!« IIa starrte seinen Bruder an und rollte mit den Augen. »Bitte sag mir, daß es am Gerüst liegt …«
»Nein, diesmal bin ich ganz sicher. Das Geräusch kommt aus dem Innern.«
Sie sahen sich an, richteten ihre Aufmerksamkeit dann auf die Leiter, die zur Spitze hinaufführte – beziehungsweise dorthin, wo sich die Spitze befinden sollte.
»Ich halte es für eine gute Idee, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen«, sagte IIb. »Die Pyramide kann sich nicht richtig entladen, sucht deshalb nach einer Möglichkeit, die gespeicherte Energie auf andere Art und Weise loszuwerden. Ich möchte nicht zu einem lebenden und nachher toten Blitzableiter wer …«
Das Knarren verwandelte sich in ein Knirschen, so als schabten Kontinentalplatten übereinander.
Teppic fühlte es. Er glaubte zu spüren, daß ihm die Haut um mehrere Nummern zu klein wurde. Er gewann den Eindruck, daß jemand ihm die Ohren festhielt und den Kopf dazwischen fortzureißen versuchte.
Er sah, wie der
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