Pyramiden
habe die Kameltreiber bei ihrer Arbeit beobachtet«, erwiderte Ptraci. »Ich glaube, sie holen mit einem Stock aus und schlagen fest zu.«
Das Kamel kniete nieder und warf ihr einen selbstgefälligen Blick zu.
Teppic hob die Schultern, öffnete die Tür zum Rest der Welt – und blickte in die Gesichter von fünf Wächtern.
Er wich zurück. Die Männer kamen näher. Drei von ihnen hoben schwere Djel-Bögen, die Pfeile durch dickes Holz katapultieren und ein angreifendes Nilpferd in ein drei Tonnen schweres Steak verwandeln konnten. Die Palastwächter hatten noch nie auf einen Mitbürger geschossen, aber jetzt schienen sie doch mit dem Gedanken zu spielen, entsprechende Erfahrungen zu sammeln.
Der Anführer klopfte einem seiner Männer auf die Schulter. »Gib dem Hohenpriester Bescheid.«
Er starrte Teppic an.
»Leg alle Waffen ab!« forderte er.
»Was, alle?«
»Ja, genau.«
»Das könnte eine Weile dauern«, erwiderte Teppic vorsichtig.
»Und halt die Hände so, daß ich sie sehen kann«, fügte der Anführer hinzu.
»Dadurch ergibt sich ein echtes Problem«, sagte Teppic taktvoll. Er musterte die Soldaten nacheinander. Als ausgebildeter Assassine kannte er mehrere Arten des unbewaffneten Kampfes, aber jede Version erforderte Gegner, die nicht sofort einen Pfeil von der Sehne schnellen ließen, sobald man sich bewegte. Nun, vielleicht konnte er sich zur Seite werfen, irgendwo in Deckung gehen und …
Aber dann ließ er Ptraci im Stich. Außerdem: Welcher Pharao kämpfte denn gegen seine eigenen Wächter? Ein derartiges Verhalten widersprach allen Traditionen.
Hinter den Soldaten bewegte sich etwas, und Dios erschien mit der lautlosen Unvermeidlichkeit einer Mondfinsternis. Er hielt eine entzündete Fackel, und ihr Licht schuf seltsame Reflexe auf seinem kahlen Kopf.
»Ah«, sagte er. »Die Ketzer sind gefangen. Gut gemacht.« Er nickte dem Anführer der Wächter zu. »Werft sie den Krokodilen zum Fraß vor.«
»Dios?« fragte Teppic, als zwei Soldaten ihre Bögen senkten und sich ihm näherten.
»Hast du gesprochen?«
»Mann, Sie wissen doch, wer ich bin. Stellen Sie sich nicht so dumm an.«
Der Hohepriester hob die Fackel.
»Dummheit«, sagte er, »hängt ganz von den Umständen ab. Dumme Menschen neigen irgendwann dazu, einen fatalen Fehler zu machen. Wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich finde das keineswegs lustig«, entgegnete Teppic. »Sie werden den Soldaten sofort sagen, wer ich bin. Das ist ein Befehl.«
»Wie du willst, Junge. Dieser Assassine«,– Dios’ Stimme kam einem Schneidbrenner gleich, dessen Flamme sich durch den Stahl des Zweifels fraß –, »hat den Pharao getötet.«
»Verdammt, ich bin der Pharao!« entfuhr es Teppic. »Und ich habe mich nicht selbst umgebracht.«
»Du willst uns zum Narren halten, Junge, aber das wird dir nicht gelingen«, sagte Dios. »Diese Männer wissen genau, daß der Pharao weder nächtliche Wanderungen in seinem Palast unternimmt noch die Gesellschaft verurteilter Verbrecher sucht. Es bleibt nur noch festzustellen, wo du den Leichnam versteckt hast.«
Der Blick des Hohenpriesters blieb starr auf Teppics Gesicht gerichtet, und Teppicymon XXVIII. begriff plötzlich, daß Dios total verrückt war. Es handelte sich um eine sehr seltene Form von Wahnsinn. Um einen derartigen Wahnsinn zu entwickeln, muß man so lange in der Sphäre des eigenen Ichs existieren, daß sich gewohnheitsmäßige Vernunft in die Hirnrinde gräbt. Ich frage mich, wie alt er ist, dachte Teppic.
»Assassinen sind schlau und gerissen«, sagte Dios. »Gebt gut auf ihn acht.«
Neben dem Hohenpriester krachte etwas. Ptraci hatte einen Kamelstock geworfen und das Ziel verfehlt.
Als die Anwesenden wieder aufsahen, war Teppic verschwunden. Die Wächter neben ihm konzentrierten sich darauf, stöhnend zu Boden zu sinken.
Dios lächelte.
»Ergreift die Frau«, sagte er scharf, und der Anführer stürmte sofort los und packte Ptraci, die nicht den geringsten Widerstand leistete. Dios bückte sich und hob den Stock auf.
»Draußen stehen noch mehr Wächter«, sagte er und ließ seinen Blick durch den Stall schweifen. »Das dürfte dir sicher klar sein. Es liegt in deinem eigenen Interesse, dich zu stellen.«
»Warum?« erklang Teppics Stimme aus den Schatten. Er schob die Hand in den Stiefel und tastete nach seinem Blasrohr.
»Man wird dich den heiligen Krokodilen zum Fraß vorwerfen«, fuhr der Priester fort. »So lautet der Befehl des Pharaos.«
»Eine höchst angenehme
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