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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Anführer der Wächter auf die Knie sank und sich bemühte, den Helm abzunehmen. Teppic nutzte die gute Gelegenheit und sprang über eine halbhohe hölzerne Trennwand.
    Es wurde bereits angedeutet, daß seltsame Dinge geschahen. So wie jetzt. Teppic landete auf einem Boden, der sich danach sehnte, eine Wand zu sein. Irgendwie gelang es ihm, wieder auf die Beine zu kommen, und unmittelbar darauf schob ihn etwas zur Seite. Er mußte sich an der Stallbox festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Die Ställe schrumpften und dehnten sich wieder, wie das Bild in einem Zerrspiegel. Teppic hatte so etwas schon einmal gesehen, damals in Ankh-Morpork, als er zusammen mit Schelter und Arthur Dr. Mondlers Es-ist-wirklich-atemberaubend-Emporium besuchten. Nun, wenn man in einen Zerrspiegel blickte, erwartete man natürlich, einen wurstartigen Kopf und ballförmige Beine zu sehen. Teppic bezweifelte, ob es für die Vorgänge um ihn herum eine ebenso einfache Erklärung gab. Wahrscheinlich benötigte man verdrehtes Glas, um die richtigen Perspektiven wiederherzustellen.
    Er lief mit Beinen aus weicher Schokolade los, näherte sich Ptraci und Dios, während die Welt fluktuierte, wuchs und sich zusammenzog. Es erfüllte ihn mit einer gewissen Genugtuung, als er sah, wie sich die junge Frau aus dem festen Griff des Hohenpriesters wand und ihm die Faust an den kahlen Schädel rammte.
    Teppic bewegte sich wie in einem Traum. Die Entfernungen veränderten sich dauernd, als sei die Realität ein Gummiband. Ein weiterer Schritt – und er prallte gegen Dios und Ptraci. Mit energischer Behutsamkeit packte er das Dienstmädchen am Arm und kehrte zum Stall zurück, in dem das Kamel in aller Ruhe wiederkäute und die Ereignisse mit gelindem Interesse beobachtete. Teppic zögerte nicht und schloß die Hand – sie schien aus Schlagsahne zu bestehen – ums Zaumzeug.
    Niemand hielt sie auf, als sie vorsichtig durch die Tür traten und das Kamel mit sich zerrten. Draußen spielte die Nacht verrückt.
    »Mit geschlossenen Augen kann man es weitaus besser ertragen«, sagte Ptraci.
    Teppic senkte die Lider. Es klappte. Die Pupillen behaupteten, der Platz vor den königlichen Ställen sei ein zitterndes Rechteck, dessen Ränder sich wie Bogensehnen spannten, aber das Gedächtnis bestand darauf, daß es sich um einen ganz gewöhnlichen Hof handelte. Füße und Beine stellten sich auf die Seite der Erinnerungsstimme.
    »Donnerwetter, ein guter Trick«, lobte Teppic. »Wie bist du darauf gekommen?«
    »Ich kneife immer die Augen zu, wenn ich mich fürchte«, erwiderte Ptraci.
    »Eine ausgezeichnete Strategie.«
    »Was ist hier tos?«
    »Keine Ahnung. Ich möchte es auch gar nicht herausfinden. Ich schlage vor, wir verschwinden von hier. Wie bringt man ein Kamel dazu, freundlich niederzuknien? Ich habe viele scharfe Dinge bei mir.«
    Das Kamel verstand die Sprache der Menschen ziemlich gut, wenn es um Drohungen ging, und mit ungelenkem Geschick knickte es die Knie ein. Teppic und Ptraci kletterten an Bord, und kurz darauf schwankte die Welt erneut, als sich das Tier wieder aufrichtete.
    Höhere Mathematik wird nicht ohne Grund in heißen Klimazonen erfunden. Es liegt an der morphischen Resonanz aller Kamele – ihr verächtlicher Gesichtsausdruck und die bereits berühmt gewordenen vorgestülpten Lippen sind ein natürliches Ergebnis der Fähigkeit, quadratische Gleichungen zu lösen.
    Nur wenige Personen sind sich darüber klar, daß Kamele gut mit höherer Mathematik zurechtkommen, insbesondere dann, wenn es um Ballistik geht. Es ist eine Eigenschaft, die das Überleben der Art sichern soll. Man mag sie mit der menschlichen Koordination zwischen Hand und Auge vergleichen, mit der Tarnung eines Chamäleons, auch mit der allgemein bekannten Neigung von Delphinen, Schwimmer vor dem Ertrinken zu retten. Normalerweise wäre es Delphinen weitaus lieber, ertrinkende Schwimmer als eine willkommene kulinarische Abwechslung zu erachten, aber wenn andere Menschen in der Nähe sind, gehen sie kein Risiko sein. Sie möchten es vermeiden, sich einen schlechten Ruf einzuhandeln, besonders bei Fischern.
    Tatsache ist: Kamele sind weitaus intelligenter als Delphine. 22 Sie sind so intelligent, daß sie schnell begriffen haben, wie wichtig es sein kann, die eigene Intelligenz vor den Menschen zu verbergen – wenn man vermeiden will, viele Jahre in einem Laboratorium zu verbringen (mit dünnen Elektroden im Kopf), wenn man nichts davon hält, Minen an

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