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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nachgedacht?«
    Die Priester holten es jetzt nach. Und überlegten noch etwas länger.
    »Der Pharao hielte bestimmt nicht viel davon …«, wandte jemand ein.
    »Der Pharao?« rief Koomi. »Wo ist der Pharao? Zeigt mir den Pharao! Fragt Dios, wo sich der Pharao befindet!«
    Etwas pochte neben ihm. Koomi riß entsetzt die Augen auf, als die goldene Maske über den Boden rutschte. Die Priester wichen ihr hastig aus, wie Kegel, die plötzlich eine Kugel fürchteten.
    Dios trat ins Licht der umstrittenen Sonne, das Gesicht grau vor Wut.
    »Der Pharao ist tot«, sagte er.
    Koomi schwankte in den Orkanböen des Zorns, doch es gelang ihm, das Gleichgewicht zu wahren. Tapfer straffte er die Schultern.
    »Sein Nachfolger …«, begann er.
    »Es gibt keinen Nachfolger«, donnerte Dios. Er sah zum Himmel hoch. Nur wenige Menschen sind in der Lage, direkt in die Sonne zu sehen, doch Dios’ Blick hätte selbst die gelbe Scheibe am Firmament dazu veranlassen können, furchtsam zurückzuweichen. Die Augen des höchsten Hohenpriesters starrten wie zwei Entfernungsmesser an der langen krummen Nase vorbei.
    »Sie kommen hierher, als gehörte ihnen das ganze Land«, sagte er wie zu sich selbst. »Was fällt ihnen eigentlich ein?«
    Koomis Kinnlade klappte herunter. Er setzte zu einem Einwand an, doch Dios’ Kilowatt-Blick brachte ihn zum Schweigen.
    Er wandte sich an seine Kollegen, die ihre Fingernägel betrachteten oder mit großem Interesse über den Fluß sahen. Die stumme Botschaft lautete: Nichts für ungut, Koomi, aber mit dieser Sache mußt du allein fertig werden. Und wenn er durch irgendeinen glücklichen Zufall das Willensduell gewann, behaupteten die übrigen Priester sicher, von Anfang an auf seiner Seite gewesen zu sein.
    »In gewisser Weise können sie Anspruch auf Djelibeby erheben«, murmelte Koomi.
    »Was?«
    »Sie, äh, haben das Land geschaffen. Und auch den Fluß. Und die Berge. Und den Sand.« Koomi konnte sich nicht länger beherrschen. »Verdammt, Dios, es sind die Götter!«
    »Es sind unsere Götter«, fauchte der Hohepriester. »Wir sind nicht ihr Volk. Es sind meine Götter, und sie werden sich gefälligst an die Anweisungen halten, die ich ihnen gebe!«
    Koomi verzichtete darauf, den Frontalangriff fortzusetzen. Dem saphirnen Blick Dios’ konnte man unmöglich standhalten. Seine Nase wirkte wie eine Streitaxt, und hinzu kam eine ebenso unerschütterliche wie entsetzliche Rechtschaffenheit.
    »Aber …«, erwiderte er.
    Dios winkte mit einer zitternden Hand, und daraufhin herrschte wieder Stille.
    »Die Götter haben kein Recht, hier zu sein«, sagte er. »Ich habe ihnen nicht befohlen, bei uns zu erscheinen. Sie haben kein Recht!«
    »Und was wollen Sie jetzt tun?« fragte Koomi.
    Dios’ Hände öffneten und schlossen sich krampfhaft. Er empfand so, wie ein Royalist empfinden sollte – ein guter Royalist, ein Royalist, der Fotos der königlichen Familie ausschnitt und in einem Sammelalbum verstaute, ein Royalist, der keine abfälligen Bemerkungen über seine Ideale duldete, ein Royalist, der alle Republikaner verachtete –, wenn ihm der König mitsamt den Prinzen einen Besuch abstattete, um die Wohnzimmereinrichtung zu verändern. Der Hohepriester sehnte sich nach der Nekropolis, der kühlen Stille bei seinen Freunden. Er wünschte sich einen ruhigen, erholsamen Schlaf, der ihn mit neuer Kraft erfüllte, ihm die Möglichkeit gab, weitaus klarer zu denken …
    Koomi schöpfte neue Hoffnung. Dios’ Unbehagen war ein schmaler Spalt, der vielleicht genug Platz bot, um vorsichtig und behutsam einen Keil hineinzutreiben. Aber nicht mit einem Hammer. Wenn sich Dios bedroht fühlte, konnte er es mit der ganzen Welt aufnehmen.
    Der alte Mann zitterte erneut. »Ich maße es mir nicht an, den Göttern zu sagen, wie sie ihre Angelegenheiten in den himmlischen Sphären regeln sollen«, sagte er. »Und ich werde allein über mein Königreich herrschen, ohne daß sich irgendwelche göttlichen Mächte einmischen.«
    Koomi verstaute diese verräterische Bemerkung in seinem gedanklichen Archiv, um sich später eingehender damit zu befassen. Er klopfte Dios auf die Schulter.
    »Sie sprechen mir aus der Seele«, sagte er. Der Hohepriester drehte den Kopf und musterte ihn.
    »Tatsächlich?« fragte er argwöhnisch.
    »Als Premierminister des Pharaos finden Sie bestimmt einen Ausweg. Sie haben unsere volle Unterstützung, o Dios.« Koomi winkte, und die übrigen Anwesenden beeilten sich, ihm begeistert zuzustimmen.

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