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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Selbst wenn man Pharaonen und Göttern nicht mehr vertrauen konnte – auf Dios war immer Verlaß. Die Priester zogen göttlichen Zorn einem Tadel des höchsten Hohenpriesters vor. Es gab keine übernatürlichen Entitäten, die ihnen auf ebenso menschliche Art und Weise Angst einjagen konnten wie Dios. Ja, der Premierminister würde alles in Ordnung bringen.
    »Wir achten nicht auf die absurden Gerüchte über das Verschwinden des Pharaos«, fügte Koomi hinzu. »Bestimmt sind sie stark übertrieben oder völlig aus der Luft gegriffen.«
    »Welche Gerüchte?« fragte Dios aus dem Mundwinkel.
    »So erleuchten Sie uns, Meister, auf daß wir den rechten Weg finden.«
    Dios zögerte.
    Er wußte nicht, worauf es jetzt ankam. Er sah sich mit einer völlig neuen Situation konfrontiert, mit Wandel und Veränderung.
    Ihm fielen nur die Worte für das Ritual der Dritten Stunde ein – sie flüsterten von ganz allein in seinem Geist. Wie oft hatte er sie ausgesprochen? Zu oft, viel zu oft! Schon vor vielen Jahren hätte er sich zur letzten Ruhe legen sollen, aber es kam nie der geeignete Zeitpunkt. Nie fand er einen kompetenten Nachfolger, dem er das Königreich überlassen konnte. Ohne ihn waren die Bewohner des Djel-Tals völlig hilflos, und er durfte nicht zulassen, daß das ganze Land dem Ruin anheimfiel. Dios wollte niemanden enttäuschen, und deshalb überquerte er den Fluß … Jedesmal schwor er sich, die Nekropolis nicht noch einmal aufzusuchen, aber er brach den Eid, wenn die Kälte in seine Glieder zurückkroch, und schließlich wurden die Jahrzehnte … länger. Jetzt brauchte Djelibeby seine Hilfe, doch die Silben des Rituals errichteten mentale Schranken und hinderten ihn daran, konzentriert nachzudenken.
    »Äh«, sagte er.
     
    Du Mistvieh kaute zufrieden. Teppic hatte ihn an einem nahen Olivenbaum festgebunden, der immer mehr Blätter und Früchte verlor. Manchmal hielt das Kamel inne, beobachtete die Möwen über der Stadt Ephebe und nahm sie mit Olivensteinen unter Beschuß.
    Ein Teil seines Bewußtseins beschäftigte sich mit einem interessanten neuen Konzept taudimensionaler Physik, das Zeit, Raum, Magnetismus, Gravitation und, aus irgendeinem Grund, auch Brokkoli vereinte. Gelegentlich gab es Geräusche von sich, die wie Explosionen in einem fernen Steinbruch klangen, in seinem Fall jedoch nur darauf hindeuteten, daß alle Mägen bestens arbeiteten.
    Ptraci saß unter dem Baum und fütterte die kleine Schildkröte mit Weinblättern.
    Hitze knisterte über die weißen Marmorwände der Taverne, aber nach Teppics Meinung unterschied sie sich von der im Alten Königreich. Dort war selbst die Hitze alt. Voller Unbehagen erinnerte er sich an eine stickige leblose Luft, die wie ein Schraubstock zudrückte, aus gekochten Jahrhunderten zu bestehen schien. Hier wehte ständig eine frische, nach Salz riechende Brise vom Meer. Darüber hinaus trug sie vagen Weinduft mit sich, ein Aroma, das in der vergangenen halben Stunde immer stärker geworden war: Immerhin genehmigte sich Xeno bereits den zweiten Krug. Es handelte sich ganz offenbar um einen Ort, an dem Dinge sich die Ärmel hochkrempelten und begannen.
    »Die Sache mit den Schildkröten verstehe ich noch immer nicht«, brachte Teppic mühsam hervor. Der erste Schluck Wein schien ihm die Kehle glasiert zu haben.
    »Es is’ doch ganz einfach«, erwiderte Xeno. »Nun, gehen wir mal davon aus, dieser Olivenstein sei der Pfeil, und das, und das …« Er sah sich suchend um. »Und die betäubte Möwe dort schtellen wir uns als Schildkröte vor, in Ordnung? Wenn ich jetzt den Pfeil von der Sehne schnellen lasche, fliegt er zur Möw … zur Schildkröte, habe ich recht?«
    »Ich glaube schon, aber …«
    »Aber inzwischen hat sich die Möw … die Schildkröte bewegt, nicht wahr? Habe ich recht?«
    »Vielleicht«, sagte Teppic hilflos. Xeno sah ihn siegesgewiß an.
    »Also muß der Pfeil noch etwas weiter fliegen, schtimmt’s, um die Schildkröte zu erreichen. Inzwischen is’ die Schildkröte aufgestiegen und segelt … ich meine, sie is’ weitergekrochen, nicht viel, zugegeben, aber wenige Zentimeter genügen. Habe ich recht? Also muß der Pfeil noch etwas weiter fliegen, doch wenn er die Stelle erreicht, an der sich die Schildkröte jetscht befindet, is’ sie gar nicht mehr da. Woraus folgt: Wenn die Schildkröte in Bewegung bleibt, kann sie unmöglich von dem Pfeil erreicht werden. Er kommt näher und näher, trifft jedoch nie das Ziel. Quod erat demonstrandum.

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