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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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erzählen.
    »Sie kennen doch sicher das weitverbreitete Sprichwort: ›Der Ärmste hat den Doktor und der Dümmste ist Professor. Ich bin beides. Es ist also verständlich, daß sie sich für einen anderen Weg entschieden hat.«
    »Aber warum hat sie ihre Stelle im Hotel aufgegeben, um in einem Reisebüro zu arbeiten?« fragte er, da er das Gespräch lieber in andere Bahnen lenken wollte. »Und warum hat sie bei dem Reisebüro aufgehört, um nach Guangzhou zu gehen?«
    »Das habe ich sie auch gefragt, aber sie meinte nur, ich sei einfach zu altmodisch. Ihr zufolge wechseln heute die jungen Leute ihre Arbeit so häufig wie ihre Kleider. Kein schlechter Vergleich übrigens. Der Grund des Übels ist natürlich das Geld.«
    »Aber warum gerade Guangzhou?«
    »Ja, das macht mir auch Sorgen. Als junges Mädchen so ganz allein in einer fremden Stadt…«
    »Hat sie sich jemals mit Ihnen über eine Reise in die Gelben Berge unterhalten, die sie letzten Oktober geleitet hat?«
    »Sie hat mit mir kaum über ihre Arbeit gesprochen, aber an diese Reise erinnere ich mich noch. Sie brachte grünen Tee mit, den Wolken-und-Nebel-Tee aus den Bergen. Bei ihrer Heimkehr wirkte sie etwas bedrückt.«
    »Wissen Sie warum?«
    »Nein.«
    »Hat sie vielleicht deshalb ihre Stelle aufgegeben?«
    »Ich weiß es nicht, aber kurz darauf ist sie nach Guangzhou gegangen.«
    »Hätten Sie vielleicht ein neueres Foto von ihr, das Sie mir überlassen könnten?«
    »Natürlich.« Sie holte ein Foto aus einem Album und reichte es ihm.
    Es zeigte ein junges, schlankes Mädchen auf dem Bund. Sie trug ein enges weißes T-Shirt und einen sehr kurzen Faltenrock, der der momentanen Shanghaier Mode etwas voraus zu sein schien.
    »Wenn Sie sie in Guangzhou finden, sagen Sie ihr bitte, daß ich darum bete, daß sie wieder heimkommt. Sie hat es doch sicher nicht leicht so ganz allein in der Fremde. Und ich alte Frau bin hier auch allein.«
    »Ich werde es ihr ausrichten«, sagte er und steckte das Foto ein. »Ich werde mein Bestes tun, sie zu überzeugen.«
    Als er sich von Professor Xie verabschiedet hatte, spürte er, wie die Erregung, die ihn angesichts der neuesten Entwicklung befallen hatte, allmählich wieder abflaute. Einerseits erschwerte es die Ermittlungen erheblich, daß Xie Rong nach Guangzhou umgezogen war, ohne eine Adresse zu hinterlassen, andererseits deprimierte ihn das Gespräch mit der pensionierten Professorin.
    China veränderte sich rasend schnell, doch wenn aufrechte Intellektuelle inzwischen als die »Ärmsten und Dümmsten« galten, war die Lage tatsächlich besorgniserregend.
    Wei Hong wohnte in der Hetian Lu Nr. 60 in einer neuen Wohnanlage. Er läutete mehrmals, ohne daß jemand öffnete. Schließlich hämmerte er mit der Faust an die Tür.
    Eine ältere Frau machte auf und starrte ihn argwöhnisch an. »Was ist los?«
    Er erkannte sie sofort als die Frau von dem Foto.
    »Sie müssen Genossin Wei Hong sein. Ich heiße Chen Cao«, sagte er und zeigte ihr seinen Ausweis. »Vom Shanghaier Polizeipräsidium.«
    »Alter Hua, hier ist ein Polizeibeamter!« Wei wandte sich um und sprach laut in das Zimmer hinein, bevor sie ihm zunickte. »Treten Sie näher.«
    Der Raum war höchst zweckmäßig eingerichtet. Es wunderte ihn nicht, daß hier ein tragbarer Gasherd im Gang stand, wie er ihn in Qian Yizhis Wohnheimzimmer schon einmal gesehen hatte. Auf der Flamme kochte etwas in einem Topf. Dann sah er einen weißhaarigen alten Mann, der sich aus einem hellgrauen Ledersofa hochstemmte. Auf dem niedrigen Couchtisch vor ihm lag eine unbeendete Patience.
    »Was können wir denn für den Genossen Oberinspektor tun?« fragte der Alte und musterte die Karte, die Wei ihm überreicht hatte.
    »Es tut mir leid, daß ich Sie hier zu Hause belästige, aber ich muß Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    »Uns?«
    »Es geht nicht direkt um Sie, sondern um jemanden, den Sie kennen.«
    »Ach so? Na, dann schießen Sie mal los!«
    »Sie sind doch vor einigen Monaten in den Gelben Bergen gewesen?«
    »Ja, das stimmt«, sagte Wei. »Mein Mann und ich reisen gern.«
    »Haben Sie dort dieses Foto aufgenommen?« Chen holte die Polaroidaufnahme aus seiner Brieftasche. »Im letzten Oktober?«
    »Ja«, sagte Wei mürrisch. »Ich werde mich ja wohl noch selber erkennen.«
    »Und der Name auf der Rückseite …« Er drehte den Schnappschuß um. »Wer ist Zhaodi?«
    »Eine junge Frau, die wir auf der Reise kennengelernt haben. Sie hat ein paar Fotos für uns gemacht.«
    Er

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