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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Haken aus dem Maul eines Barsches, der sicher ein halbes Pfund wog.
    Erfreut warf er die Schnur mit einem geübten Schwung seines Handgelenks wieder aus. Er hatte sie noch nicht halb eingeholt, als es heftig ruckte. Die Angel bog sich, und ein riesiger Karpfen funkelte im Sonnenlicht.
    Sie kamen kaum zum Reden. Die Zeit lief rückwärts, während silberne Schuppen im goldenen Sonnenlicht tanzten. Zwanzig Minuten oder zwanzig Jahre – die beiden fühlten sich in ihre Jugend zurückversetzt. Zwei Schüler, nebeneinander sitzend, redend, trinkend, angelnd, und die ganze Welt baumelte an ihren Angelschnüren.
    »Was bekommt man denn für ein Pfund Karauschen?« fragte Liu, der schon wieder einen stattlichen Fisch in der Hand hielt. »Für einen von dieser Größe?«
    »Mindestens dreißig Yuan, würde ich sagen.«
    »Ich habe hier gut vier Pfund, die sind also etwa hundert Yuan wert, stimmt’s?«, sagte Liu. »Wir sind jetzt erst eine Stunde hier, und ich habe schon mehr hereingeholt, als ich in einer Woche verdiene.«
    »Ist das dein Ernst?« fragte Gao und holte einen Sonnenfisch von seinem Haken. »Ein Atomingenieur mit deinem Ruf?«
    »Tja, ist aber so. Ich hätte lieber Fischer werden und südlich des Yangzi zum Angeln gehen sollen«, sagte Liu kopfschüttelnd. »In Qinghai bekommen wir oft monatelang keinen Fisch zu sehen.«
    Liu arbeitete seit zwanzig Jahren in dieser Wüstengegend. Einer alten Tradition folgend servierten die dort lebenden Bauern zum Frühlingsfest einen hölzernen Fisch, denn das chinesische Schriftzeichen für Fisch bedeutet auch Überfluß, also Glück für das kommende Jahr. Vielleicht vergaß man dort mit der Zeit, wie Fisch schmeckte, doch die Tradition war nicht in Vergessenheit geraten.
    »Das ist doch nicht zu fassen«, empörte sich Gao. »Der große Wissenschaftler, der Atombomben herstellt, verdient weniger als ein fliegender Händler mit seinen Tee-Eiern. Eine Schande!«
    »Das ist die Marktwirtschaft«, sagte Liu. »Das Land ändert sich, die Richtung stimmt, die Menschen haben ein besseres Leben.«
    »Aber es ist doch ungerecht, zumindest dir gegenüber.«
    »Na ja, eigentlich kann ich momentan nicht klagen. Das war vor einiger Zeit nicht so. Du kannst dir sicher denken, warum ich dir während der Kulturrevolution nicht geschrieben habe.«
    »Nein, warum denn nicht?«
    »Ich wurde als bürgerlicher Intellektueller kritisiert und ein Jahr lang eingesperrt. Nach meiner Freilassung galt ich noch immer als Rechtsabweichler, und da wollte ich nicht, daß ein Verdacht auf dich fällt.«
    »Das tut mir wirklich leid«, sagte Gao. »Aber du hättest mir trotzdem Bescheid geben sollen. Allerdings hätte ich mir das auch denken können, als meine Briefe immer wieder zurückkamen.«
    »Nun, das ist jetzt vorbei«, sagte Liu. »Jetzt sitzen wir hier und angeln nach unseren verlorenen Jahren.«
    »Das eine sage ich dir«, meinte Gao, der das Thema wechseln wollte, »wir haben inzwischen genug für eine hervorragende Fischsuppe.«
    »Eine wunderbare Suppe – he, da ist ja noch so ein Prachtbursche!« Liu zog einen gut dreißig Zentimeter langen, zuckenden Flußbarsch aus dem Wasser.
    »Meine Frau ist keine Intellektuelle, aber sie kann eine ziemlich gute Fischsuppe kochen. Ein paar Scheiben Jinhua-Schinken, eine Prise Pfeffer, eine Handvoll Frühlingszwiebeln, und schon hast du eine phantastische Suppe.«
    »Ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen.«
    »Sie kennt dich bereits. Ich habe ihr oft das Foto von dir gezeigt.«
    »Ja, aber das ist zwanzig Jahre alt«, sagte Liu. »Wie soll sie mich heute noch aufgrund eines Hochschulfotos erkennen? Erinnerst du dich noch an He Zhizhangs berühmte Zeilen? Mein Dialekt ist noch derselbe, doch meine Haare sind ergraut.«
    »Meine auch«, sagte Gao.
    Es wurde Zeit, den Heimweg anzutreten.
    Gao ging wieder ans Steuer. Doch der Motor stotterte und knirschte. Er versuchte es mit voller Kraft, der Auspuff spuckte schwarzen Rauch aus, aber das Boot bewegte sich kein bißchen. Kapitän Gao kratzte sich am Kopf. Schließlich wandte er sich entschuldigend an seinen Freund. Er war ratlos. Der Kanal war zwar schmal, aber nicht seicht. Die Schiffsschraube war durch das Ruder geschützt. Sie konnte nicht auf Grund gelaufen sein. Vielleicht hatte sich etwas darin verwickelt, ein zerrissenes Fischernetz oder eine Schnur. Ersteres war allerdings eher unwahrscheinlich – der Kanal war zu schmal für die Fischer, sie würden hier kaum ihre Netze auswerfen. Doch

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