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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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holte ein Foto von Guan heraus, auf dem sie auf einem wichtigen Parteitreffen in der Großen Halle des Volkes einen Vortrag hielt.
    »Ist das die Frau namens Zhaodi?«
    »Ja, das ist sie. Aber natürlich sieht sie auf diesem Bild anders aus – völlig anders gekleidet. Was hat sie denn angestellt?« Wei wirkte neugierig, während Chen sein Notizbuch und einen Stift herausholte. »Am Ende unserer Reise hat sie uns versprochen, uns einmal anzurufen. Aber das hat sie nie getan.«
    »Sie ist tot.«
    »Wie bitte?«
    Die Verwunderung auf dem Gesicht der alten Dame war nicht gespielt.
    »Und sie heißt in Wahrheit Guan Hongying.«
    »Ach, tatsächlich?« warf Hua ein. »Die nationale Modellarbeiterin?«
    »Aber dieser Xiansheng von ihr«, sagte Wei, »der hat sie doch Zhaodi genannt.«
    »Wirklich?« Nun war es an Chen, erstaunt zu sein. Der Begriff »Xiansheng« war in den Neunzigern in China neu entdeckt worden und konnte alles mögliche bedeuten – Ehemann, Liebhaber oder Freund. Was auch immer er für Guan bedeutet hatte, den Ausflug in die Berge hatte sie mit einem Begleiter unternommen. »Meinen Sie ihren Freund oder ihren Mann?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Wei.
    »Sie sind jedenfalls zusammen gereist«, fügte Hua hinzu. »Und sie haben in einem Zimmer übernachtet.«
    »Sie ließen sich also als Paar registrieren?«
    »Das nehme ich an, denn sonst hätten sie kein Doppelzimmer bekommen.«
    »Hat sie den Mann als ihren Ehemann vorgestellt?«
    »Na ja, sie sagte wohl so was Ähnliches wie: ›Das ist mein Mister.‹ In den Bergen stellt man sich nicht so förmlich vor.«
    »Ist Ihnen an den beiden denn irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie waren ja nicht verheiratet.«
    »Tut mir leid, das haben wir nicht gemerkt«, sagte Wei. »Schließlich spionieren wir anderen Leuten nicht nach.«
    »Nun sei doch nicht so, Wei«, griff Hua ein. »Der Oberinspektor tut schließlich nur seine Pflicht.«
    »Danke«, sagte Chen. »Wissen Sie denn, wie der Mann hieß?«
    »Wir wurden, wie gesagt, nicht offiziell vorgestellt, aber ich glaube, sie nannte ihn ›Kleiner Tiger‹. Das kann natürlich auch nur ein Spitzname gewesen sein.«
    »Könnten Sie den Mann näher beschreiben?«
    »Na ja, er war groß, gut gekleidet und hatte eine teure ausländische Kamera.«
    »Er hat nicht viel geredet, aber er war immer höflich.«
    »Hat er denn mit einem Akzent gesprochen?«
    »Ja, mit einem Pekinger Akzent.«
    »Haben Sie noch weitere Fragen?« wollte Hua wissen.
    »Nein, ich wäre fertig, wenn Sie sonst nichts Näheres wissen. Danke für Ihre Auskünfte.«
    »Tut uns leid, wahrscheinlich waren wir keine große Hilfe. Wenn Sie doch noch weitere Fragen haben …«
    »Dann melde ich mich wieder bei Ihnen«, sagte er.
    Draußen auf der Straße kreisten Chens Gedanken um Guans Begleiter in den Bergen.
    Er konnte nicht mehr länger warten. Anstatt in sein Büro zurückzukehren, machte er sich auf den Weg zur Shanghaier Telefonzentrale. Zum Glück hatte er in seiner Brieftasche stets einen Bogen Briefpapier mit einem offiziellen Briefkopf des Präsidiums. In Windeseile verfaßte er ein Begleitschreiben, in dem er sich selbst legitimierte.
    »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Genosse Oberinspektor«, meinte ein Angestellter Mitte Fünfzig. »Mein Name ist Jia. Nennen Sie mich einfach Alter Jia.«
    »Ich hoffe, das hier reicht Ihnen«, sagte Chen und zeigte ihm seinen Ausweis und den Begleitbrief.
    »Jaja, das reicht völlig.« Jia war sehr entgegenkommend. Sofort gab er die fragliche Telefonnummer in einen Computer ein.
    »Der Besitzer dieses Anschlusses heißt Wu Bing.«
    »Wu Bing?«
    »Ja, die mit 867 anfangenden Nummern gehören zum Stadtbezirk Jing’an, und …« Der Beamte zögerte kurz. »Wissen Sie, dort wohnen viele hohe Kader.«
    »Ach, Wu Bing, jetzt verstehe ich.«
    Wu Bing, der Shanghaier Propagandaminister, war in letzter Zeit häufig im Krankenhaus gewesen. Um ihn konnte es sich nicht handeln, aber vielleicht um einen seiner Angehörigen … Chen bedankte sich bei Jia und verließ eilig das Büro.
    An Auskünfte über Wus Familie zu gelangen war ein Kinderspiel. Für jeden hohen Kader und seine Angehörigen gab es im Stadtarchiv, in dem Chen zufällig einen Vertrauensmann sitzen hatte, eine Spezialakte. Genosse Song Longxiang war ein Freund, den er in seinem ersten Dienstjahr bei der Polizei kennengelernt hatte. Chen rief Song von einer Telefonzelle aus an. Song fragte nicht einmal,

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