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Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

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»Mein Baby«, wisperte sie. »O Gott, mein Baby!«
    Patrick nahm sie in die Arme —
endlich, aber er schien wütend, als er sprach. »Und meins«, versetzte er
scharf.
    Charlotte umarmte ihn und legte
ihren Kopf an seine Schulter. »Gott sei uns gnädig«, murmelte sie. »Möge er
uns allen beistehen!«
    Der erste Seemann erkrankte am nächsten
Morgen an der Seuche, die von der Besatzung als >das verfluchte
Fieber< bezeichnet wurde. Es herrschte noch immer absolute Windstille,
und Charlotte hatte das unheimliche Gefühl, daß die Enchantress und all
ihre Passagiere in der Hand des Teufels dahintrieben.
    Gegen Mittag wurden zwei weitere
Männer in ihre Betten getragen, und gegen Abenddämmerung starb das erste Opfer.
In eine Decke eingewickelt wurde er nach einem kurzen Gebet über Bord geworfen.
    Anfangs war Charlotte noch wie
gelähmt vor Furcht, doch dann nahm sie sich zusammen und ging hinunter in die
Mannschaftsräume, um die Kranken zu pflegen. Doch Cochran schickte sie
augenblicklich wieder fort.
    Bei Einbruch der Nacht stand
Charlotte an Deck, schaute zu den Sternen auf und betete um das Leben ihres
ungeborenen Kindes. Eine kühle Brise streifte ihr Haar, und da hörte sie den
Schrei des Mannes, der hoch oben im Ausguck saß.
    »Es kommt Wind auf!« rief er, und
die Seemänner strömten an Deck, begierig, die Segel zu setzen und wieder
unterwegs zu sein. Charlotte vermutete, daß sie hofften, der Seuche auf diese
Weise zu entkommen.
    Am nächsten Tag fanden weitere
Begräbnisse statt, am Tag darauf noch mehr. Charlotte blieb gesund und kräftig,
obwohl nicht einmal Patrick sie von den Krankenlagern fernzuhalten vermochte.
Sie kühlte fieberheiße Gesichter, schrieb Briefe an Mütter, Schwestern und
Ehefrauen, löffelte Brühe in unwillige Münder und leerte Nachttöpfe aus. Sie
sang den Männern Lieder vor, hielt fieberheiße Hände und betete dafür, daß die
scheidenden Seelen eine gnädige Aufnahme im Himmel fanden.
    »Sie müssen sich jetzt ausruhen«,
sagte Cochran eines Nachts, als sie gerade das leblose Gesicht eines Jungen
zudeckte, der kaum mehr Jahre zählte als der älteste ihrer Brüder. »Sie müssen
an Ihr Kind denken und an den Captain.«
    Patrick schuftete so unermüdlich wie
Charlotte, wenn nicht sogar noch mehr, seit seine Mannschaft sich verringert
hatte und Wind aufgekommen war. Erst spät nachts sank er todmüde und voll
angekleidet neben Charlotte nieder, um ein paar Stunden zu schlafen. Dann
stand er auf und fing wieder von neuem an.
    »Ich kann mich nirgendwo vor diesem
Fieber schützen«, sagte Charlotte jetzt zu Cochran. »Patrick sagt, daß der
Erreger des Fiebers bis in die Planken des Schiffs eindringt.«
    Cochran nickte. Er war sehr hager
geworden in den letzten Tagen. »Ich habe Schiffe nach einer solchen Seuche an
Land treiben sehen ohne eine einzige lebende Seele an Bord.«
    Charlotte erschauerte. »Ich will
nicht sterben«, flüsterte sie. »Ich habe noch nicht lange genug gelebt.«
    Cochran rang sich ein Lächeln ab.
»Wenn hier einer Chancen hat, zu überleben, dann Sie«, sagte er. »Ich glaube,
das Schicksal bringt Ihnen ganz besondere Sympathien entgegen.«
    Tipper Doon, der ebenfalls erkrankt
war, stöhnte im Schlaf. Tränen der Verzweiflung brannten in Charlottes Augen,
als sie ihren Stuhl näher an seine Hängematte rückte und sanft sein Gesicht
kühlte. »Wage ja nicht, zu sterben, Tipper«, sagte sie. »Du hast auch noch
nicht genug gelebt.«
    Und dann war ihre Kraft erschöpft,
sie schlug die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu weinen.
    Starke Hände hoben sie vom Stuhl,
harte Arme schlangen sich um ihre Taille. Patrick war gekommen, um sie zu
holen, und sie weinte hilflos an seiner Schulter, als er sie aus dem Raum trug,
der in ein Krankenlager verwandelt worden war.
    In ihrer Kabine zog er sie aus und
brachte sie zu Bett. Als sie das Essen verweigerte, flößte er ihr heißen Tee
ein. »Wenn doch nur Lydia hier wäre«, flüsterte Charlotte. »Sie würde wissen,
was zu tun ist ...«
    »Psst«, sagte Patrick, ließ sich
neben ihr nieder und zog sie in die Arme. »In wenigen Tagen erreichen wir die
Insel. Dann kannst du an Land gehen, und die alte Jacoba wird dich pflegen,
bis du wieder gesund und stark bist.«
    Die Worte ergaben wenig Sinn für
Charlotte, aber eins hatte sie begriffen: Die Insel war nicht mehr weit. Sie
klammerte sich an diese Hoffnung.
    Sie schlief bis zum nächsten
Nachmittag und fühlte sich beim Erwachen schon sehr viel kräftiger.

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