Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
Namens ließ ihn erschaudern. Nur: Wolfgang Severino, seinen amtlichen
Namen, hasste er noch mehr. Diese beschissene Mischung aus Deutsch und Italienisch,
dieses Zusammenstoppeln von Nord und Süd, von dem was nie zusammengepasst hatte
und nie zusammenpassen würde, brandmarkte ihn. Als ob der Herrgott nicht bewusst
den Alpenhauptkamm erschaffen hätte.
»Un
vino bianco [4] «,
knurrte er und starrte Marcello feindselig an. Doch an dem gut gelaunten Wirt
prallte Lupinos üble Laune ab. Die schlecht sitzenden, falschen Zähne des Wirtes
leuchteten freundlich im Neonlicht, und er fragte Lupino, welche Laus ihm denn über
die Leber gelaufen sei. Statt einer Antwort nahm er das Glas, murmelte auf Deutsch:
»Das geht dich einen Scheißdreck an …« und verzog sich an einen Tisch, der direkt
neben dem Plastikperlenvorhang, der den Kücheneingang verdeckte, stand. Als er das
Glas Wein ausgetrunken hatte, stand er auf und ging mit dem leeren Glas in die Küche.
Dort griff er zu der Flasche Sauvignon, die offen neben dem Herd stand, und schenkte
sich ein weiteres Glas ein. Plötzlich hatte er eine Gabel vor dem Gesicht.
»Fe…fegato
alla Ve…veneziana«, knurrte Gino und schob ihm gnadenlos die Kostprobe in den Mund.
Obwohl er gar keinen Gusto auf geröstete Leber hatte, begann er langsam und mit
Bedacht zu kauen. Nach und nach genoss er nun die Aromen der glasig gerösteten Zwiebeln
und der fein gehackten Petersilie, die sich mit der zarten Süße der Leberstückchen
harmonisch verbanden. Mit vollem Mund beschwerte er sich beim Koch, dass der Sauvignon
nicht zur Leber passe. Darauf reichte ihm dieser wortlos eine andere offene Weinflasche:
ein säure- und tanninreicher Raboso, der nicht übel zu der Leber mundete. Der lange,
hagere Lupino hockte sich mit zwei Weingläsern in der Hand auf einen wackligen Stuhl
in eine Ecke der Küche. Gino hob aus der mächtigen Pfanne, in der die Leber schmurgelte,
eine mittelgroße Portion auf einen Teller, streute frische Petersilie drüber und
stotterte:
»V…Vuoi la po…polenta? [5] «
Lupino grunzte
zustimmend, und der Koch zirkelte auf dem Blech ein Stück knusprig gebackene Polenta
ab und gab sie zu der Leber. Den Teller knallte er mit Schwung auf den Anrichtetisch,
wo auch die Speisen für die Gäste der Trattoria landeten. Lupino stand ächzend auf,
ging hinaus zu dem kleinen Tisch, wo er zuvor gesessen hatte, stellte dort das Glas
Sauvignon ab, nahm eine Gabel und kehrte in die Küche zurück. Stehend aß er die
Leber, nicht ohne immer wieder anerkennend zu murmeln:
»Köstlich
… wunderbar. Wirklich köstlich!«
Das animierte
Gino, während er Calamari in der Pfanne über großer Flamme scharf anbriet, ihn mit
schriller Stimme nachzuäffen:
»K… k… kostlitsch
… Wiwirtlitsch k…k …kostlitsch!«
Später, als das Abendgeschäft vorbei
war, saßen Marcello, Lupino, Gino und Luciana an einem Tisch beisammen. Luciana
verschlang eine Portion Spaghetti neri und starrte gebannt auf das kleine Fernsehgerät,
das oben in der Ecke hinter der Bar lief. Eine Reporterin berichtete von dem ermordeten
Knaben, ohne wirklich etwas Neues zu sagen. In diese Idylle platzte ein später Gast
herein: Ludovico Ranieri. Doktor der Rechtswissenschaft, Germanist und Kommissar.
In seiner bärtigen, zerknautschten Visage saßen die Gesichtszüge noch schiefer als
sonst. Er knurrte ein »Buona sera« und setzte sich neben Lupino. Der musterte ihn
kurz und sagte auf Deutsch:
»Hast du
keine Familie? Als ordentlicher Familienvater solltest du schon längst daheim im
warmen Bett bei deiner Frau liegen.«
»Schnauze!«,
knurrte Ranieri, und Lupino musste wieder einmal über den norddeutschen Akzent des
Kommissars grinsen. Ohne zu fragen brachte Marcello dem Kommissar eine Flasche Moretti-Bier.
Mit geübtem Griff öffnete dieser den Drehverschluss und nahm einen kräftigen Schluck.
Dann rülpste er leise.
»Ludwig!
Benimm dich«, feixte Lupino und erntete einen bösen Blick. Der Kommissar machte
einen weiteren Schluck und knurrte:
»Wölfchen,
wir müssen reden.«
Lupino zuckte
zusammen. Er hasste es, wenn Ranieri ihn Wölfchen nannte. Das war noch schlimmer
als Lupino. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen.
»Eine Audienz
bei König Ludwig. Was verschafft mir die Ehre?«
»Hör auf
mich zu verkackeiern! Dieser Scheißknabenmörder zieht mir den letzten Nerv.«
Lupino zog
fragend die Augenbrauen hoch:
»Aber du
hast doch eine Tochter.«
»Arschloch.
Es geht nicht um meine
Weitere Kostenlose Bücher