Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
›Woff‹. Staub flimmerte im
Lichteinfall der Fenster, dazwischen lauerten dunkle Schatten.
Adi Bender
stieg die Magensäure den Schlund empor, und am liebsten hätte er diesem verdammten
Italiener auf die eleganten Schuhe gekotzt. Was bildete sich der Typ eigentlich
ein? Wer war das überhaupt? Hatte nicht der Aufnahmeleiter mit ihm alles vertraglich
geregelt? Wie sollte er, Adi Bender, einen Film ohne Licht drehen? Luce naturale
– so ein Scheiß! Der barocke Saal, wo sie drehen wollten, war so riesig, dass er
keine Decken haben dürfte, um mit Tageslicht drehen zu können. Hehe, wenn er keine
Decke hätte, wären die Scheißfresken schon längst vom Regen heruntergewaschen worden.
Und der Italiener wäre kaputt – ein Zustand, den sich Adi Bender sehnlichst herbeiwünschte.
Während
der Regisseur in sich versunken dasaß und vor sich hin stierte, verhandelten der
Produktionsleiter, dessen Assistentin sowie der Kameramann in einem Kauderwelsch
von Deutsch, Italienisch und Englisch mit dem Kerl. Bender unterdrückte halbwegs
einen röhrenden Rülpser, bei dem ihm ein gewaltiger Luftstrom vom Magen Halbverdautes
hinauf in die Mundhöhle drückte. Mit verkniffenem Gesicht schluckte er das säuerliche
Zeug wieder hinunter und griff sich an den Magen; ein höllischer Brand drohte dort
seine Magenwände zu zersetzen. Ein Schnaps! Ein Königreich für einen Schnaps, dachte
er, stand auf und taumelte hinaus. Draußen, in dem riesigen barocken Stiegenhaus,
watschelte er einfach vor sich hin, er öffnete hohe Türen und kam in immer neue
mehr oder weniger große Salons und Säle. Nur die Toilette fand er nicht. Als sich
sein Magen neuerlich zusammenkrampfte und das üppige Mittagessen nun mit aller Gewalt
nach oben drängte, befand er sich gerade in einem chinesischen Zimmer. Kurz entschlossen
griff er zu einer hohen Vase, war verwundert, wie fein sich das Porzellan anfühlte,
und schoss dann zuerst einen und nach einigem Würgen einen zweiten grün-bräunlichen
Strahl in das antike Gefäß. Danach ging es Adi Bender besser. Mit einem Papiertaschentuch
wischte er sich den Mund ab, stellte die Vase wieder aufrecht an ihren ursprünglichen
Platz und spazierte unendlich erleichtert durch die lange Flucht der Räume zurück.
Dabei schwor er sich, nie wieder so üppig Mittag zu essen. Diese verdammten Italiener
mit ihren Antipasti, Primi Piatti, Secondi Piatti und danach Dolce und Frutta gingen
ihm auf die Nerven. Wie sehnte er sich zurück in das heimatliche Wien, wo man zu
Mittag gemütlich ein Gulasch verzehrte und davor vielleicht ein Süppchen löffelte.
Als er zurückkam,
wurde noch immer mit dem Italiener gestritten. Mit einem Ruck nahm er die Regieassistentin
zur Seite und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie sah ihn ungläubig an und wollte sich
zuerst weigern. Sein Griff wurde fester und er drohte ihr mit dem Rausschmiss, wenn
sie nicht sofort tat, was er ihr sagte. Sie seufzte und verschwand. Eine Minute
später hörte man sie schrill um Hilfe schreien. Die Streitenden hielten inne und
eilten hinaus. Bender zog den Kameramann zurück und schubste ihn Richtung Kamera.
Den Kameraassistenten und der Licht-Crew befahl er, Kisten, Batterie-Gürtel und
Möbel vor die geschlossenen Türen des Saals zu schieben, sodass niemand herein konnte.
Dann rief Bender mit seiner Napoleon-Stimme: »Licht an! Schauspieler auf ihre Positionen.
Wir drehen in einer Minute!«
Und so war
es dann auch. Der Hauptdarsteller, ein weißhaariger österreichischer Publikumsliebling,
absolvierte die Szene mit Charme und Routine. Gekonnt riss er seine jüngeren Kollegen
und Kolleginnen mit, die Szene war nach fünf Takes im Kasten. Einzig der Tonmensch
beschwerte sich, dass er beim O-Ton im Hintergrund Störgeräusche gehabt habe – der
Italiener hatte nämlich während des Drehs eine Zeit lang von außen an die Tür getrommelt.
»Das ist wurscht«, murmelte Bender und befahl abzubauen und die Türen wieder frei
zu machen. Sein Magendruck war weg, die Szene im Kasten, und von draußen drang goldenes
Nachmittagslicht in den Salon. Bender öffnete eine der alten Türen und trat hinaus
auf einen kleinen Balkon. Er blickte auf einen Kanal und eine Brücke. Zufrieden
zündete er sich einen Zigarillo an und genoss die Wärme der Sonne. Schmunzelnd verfolgte
er, wie der Produktionsleiter und der Italiener neuerlich zu streiten begannen.
Eigentlich war das ja die Verantwortung des Aufnahmeleiters … Doch da fiel es Bender
wieder ein: Der hatte heute
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