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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Pistole und ging langsam, ganz langsam auf die halbgeöffnete Tür zu. Als mehrere
Ratten fiepend an ihm vorbei aus dem Zimmer liefen, erschrak er. Fast hätte er wild
um sich geschossen. Er stieß die Tür mit dem Fuß auf und erstarrte. An der gegenüberliegenden
Wand des nicht sehr großen Raums stand ein massiver Barockkasten, dessen Türen sperrangelweit
offen standen. Was er in dem Kasten sah, erzeugte auch bei ihm Brechreiz. Links
hing an einem Haken aufgehängt eine halbverweste Leiche, die mit braunem Klebeband
wie eine Mumie verschnürt war. Die Hände, die ursprünglich aus der Verklebung herausgeragt
hatten, waren bis auf die Knochen von den Ratten abgenagt. Aus dem von den Ratten
zerfressenen Gesicht hing ein Augapfel herunter. Dieser Anblick war aber harmlos
im Vergleich zu dem, was Lupino neben der verwesten Leiche zu sehen bekam. Am Boden
des Schrankes, angelehnt an die rechte Seitenwand, saß in einer Pfütze von menschlichen
Fäkalien ein weibliches Wesen, das an den Handwurzeln und oberhalb der Knöchel mit
Draht gefesselt war. Der Draht hatte sich so tief ins Fleisch eingeschnitten, dass
dieses blau-violett angeschwollen und an den Einschnittstellen rötlich entzündet
war. Dunkles, geronnenes Blut an Unterarmen und Füßen. Die Beine, auf denen sich
einmal eine Strumpfhose befunden hatte, wovon jetzt nur mehr einige Fetzen zeugten,
hatten die Ratten zerbissen. Die Gesichtszüge der Frau waren total verzerrt. Schwarze
Augen glühten in einer weißteigigen Gesichtsmasse, die rund um Nase und Mund total
verschwollen und schwarz vor geronnenem Blut war. Die Nase war eingeschlagen und
von trockenem Blut verklebt. Die tiefschwarzen Augen, in denen sich unfassbares
Entsetzen und Leid spiegelte, weiteten sich, als sie ihn wahrnahmen, die Adern an
der Stirn schwollen an. Dann schlossen sich die Augenlider. Dafür ging die blutige
Öffnung, die einmal ein Frauenmund gewesen war, auf, und neuerlich erklang der nicht
enden wollende tierische Schrei.

Fünfundfünfzig
     
    Marco hatte jegliches Gefühl für
Raum und Zeit verloren. Angegurtet an den Eisenring trieb er auf der Wasseroberfläche
dahin und döste immer wieder weg. Seinen Körper fühlte er schon lange nicht mehr.
Alles war so ruhig und friedlich. Und dann kam seine Mama auf ihn zugelaufen. Sie
umarmte ihn, drückte und küsste ihn. Endlich war sie gekommen! Nun gingen sie gemeinsam
heim. Das heißt, sie gingen nicht, sie flogen. Alles war wieder gut. Er schmiegte
sich an seine Mutter, die ihm mit einer zärtlichen Handbewegung durch das Haar fuhr.
Und heute Abend würde sie ihm Lasagne kochen. Sein Lieblingsgericht, das sie ihm
schon so lange nicht mehr zubereitet hatte, weil sie dauernd so viel arbeiten musste.
Ja, und ihre Arbeit war auch besser geworden. Seine Mutter hatte eine Beförderung
erhalten und war nun Managerin eines ganz tollen, ganz schicken Restaurants. Seine
schöne Mama … Er sah, wie sie in einem eleganten Hosenanzug ebenfalls gut gekleidete
Gäste empfing und ihnen Plätze in einem riesengroßen Restaurant, das sich in einem
hell erleuchteten Palazzo befand, zuwies. Jetzt musste sie nicht mehr an jedem Sonntagmorgen
arbeiten gehen. Jetzt waren sie an den Sonntagen immer zusammen. Er durfte zu ihr
ins Bett klettern und dort seinen Kakao schlürfen, während seine Mama Radio hörte
und Zeitung las. Alles hatte sich zum Guten gewendet. Alles war gut. Die Welt war
wunderbar.
    Irgendwann
wachte Marco aus seinem Träumen auf. Ein tierischer Schrei. Hatte er das geträumt?
Nein, das konnte nicht sein. Schließlich war er daheim bei seiner Mama gewesen.
Ganz eng hatte er sich an sie gekuschelt. Warum sollte sie da schreien? Und dann
hörte Marco das Getrampel von Füßen über sich. Langsam dämmerte ihm, dass er sich
nicht daheim, sondern in dem Verlies im Haus von Signor Smith befand. Die Schritte
rannten hin und her, und plötzlich erklang wieder dieser markerschütternde Schrei.
Fremde Menschen mussten da oben sein. Vielleicht hatten sie Signor Smith endlich
verhaftet? Dieser Gedanke machte Marco plötzlich Mut. Er zog sich an dem Ring etwas
empor und begann mit seiner kleinen Faust gegen die Gewölbedecke zu klopfen. Ein
Unterfangen, das ihm unendlich schwerfiel. Denn seine Hände waren starr vor Kälte.
Nur ganz langsam konnte er zuerst die Faust ballen. Langsam waren auch die ersten
Schläge gegen die Gewölbedecke. Marco konzentrierte sich und versuchte in einem
regelmäßigen Rhythmus zu klopfen. Dazu begann er immer wieder

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