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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Einundfünfzig
     
    Schreien. Schreien. Schreien. Dass
die Adern an der Stirn und am Hals anschwollen. Er schrie und schrie, bis nur mehr
ein Krächzen aus der Kehle kam. Das Wasser stand nun auch in dem erhöhten Eck des
Gewölbes bis zu seinen Knien. Die Lumpen, auf denen er gelegen hatte, schwammen
als fahle Flecken um ihn herum. Ein Stoffstück hatte er wurstartig zusammengerollt
und umschloss es krampfhaft mit seinen Fäusten, während er vor Wut und Panik schrie.
Als seine Stimme endgültig versagte, begann er hysterisch zu schluchzen. Langsam
wurde ihm bewusst, dass ihn aus diesem Loch niemand herausholen würde. Elendig ersaufen,
das war sein Schicksal. Mutterseelenallein. Nicht einmal die Ratten waren mehr hier.
Zuerst schwammen sie noch auf der Wasseroberfläche herum, doch dann waren sie abgetaucht
und verschwunden. Wenn er nur auch abtauchen und irgendwo anders, wo kein Hochwasser
war, wieder auftauchen könnte. Er stellte sich vor, eine Ratte zu sein. Abtauchen
und wegschwimmen. Weit weg. Plötzlich hatte er eine Eingebung: Nicht abtauchen war
die Lösung, sondern mit Hilfe des Eisenrings oben auf der Wasseroberfläche zu bleiben.
Er könnte sich das zusammengerollte Stoffstück um die Brust binden und das längere
Ende durch den Eisenring ziehen. Damit würde er, auch wenn er mit seinen Kräften
am Ende war, trotzdem oben an der Wand Halt finden und nicht untergehen.
    Das Wasser
stieg schnell. Bald musste Marco schwimmen. Wenn er stehen wollte, ging es ihm bereits
über die Ohren. Mit müden, vor Kälte starren Gliedern machte er Schwimmtempi. Nach
zwei, drei Minuten Bewegung wurde ihm etwas wärmer. Er schwamm zu dem Eisenring,
den er nun ganz locker erreichte, zog das lange, nasse Tuch durch den Ring und verknotete
es mit einiger Mühe. Seine Finger waren steif vor Kälte. Das lange Ende des Tuches
band er sich als Brustgeschirr um und verknotete das Ende dann am Eisenring. Nun
musste er nicht mehr Wasser treten. Er schwamm jetzt an dem Ring befestigt auf der
Wasseroberfläche.

Zweiundfünfzig
     
    Voll Unwillen schlüpfte Lupino in
seine Gummistiefel. Er hasste es, wenn es Hochwasser gab. Ausgerechnet heute, wo
sie diese merkwürdige Rahmenmacherwerkstatt durchsuchen wollten, kam diese Unannehmlichkeit
ihnen in die Quere. Als er das Haus verlassen wollte, es war mittlerweile 8.51 Uhr,
klingelte sein Handy. Zu seiner Überraschung hörte er Philipp Mühleis’ Stimme:
    »Guten Morgen,
Herr Severino. Wie geht’s? Wie sieht’s mit den Ermittlungen aus? Haben Sie einen
Vergolder, Rahmenmacher oder Bildhauer gefunden, der in das Täterprofil passt?«
    Lupino war
sprachlos. Erstens, weil Mühleis wieder ganz normal und keineswegs durchgeknallt
klang. Zweitens, weil er sich ausgerechnet jetzt meldete. Und da er seinen Klienten
nicht anlügen mochte, schilderte er ihm in kurzen Worten den Stand seiner Ermittlungen.
Mühleis war eine Zeit lang absolut still, dann sagte er mit energischer Stimme:
    »Die genaue
Adresse? Ich komme hin.«
    Lupino verdrehte
die Augen. Aber was sollte er tun? Mit einem flauen Gefühl im Magen gab er ihm die
Adresse der Rahmenmacherwerkstatt im Dorsoduro.
    »Danke.
Bis gleich.«
    Nun hatte
Lupino die Kacke am Dampfen. Um neun Uhr wollte er sich vor der Werkstatt mit Ranieri
treffen. Jetzt kam Mühleis auch dazu. Hoffentlich flippte Ranieri nicht aus.
     
    Missmutig stapfte er durch das Hochwasser
zu Cecchettis Haus. Ranieri wartete bereits. Sie begrüßten einander knapp, Ranieri
knurrte:
    »Der Vogel
ist ausgeflogen. Ich habe schon geläutet und geklopft. Keiner da.«
    »Und was
ist mit einem Durchsuchungsbefehl?«
    »Das wollte
ich mir ersparen, aber es führt kein Weg daran vorbei«, seufzte Ranieri und zückte
sein Handy. Er wandte sich ab und ging einige Schritt weg, als er mit der Questura
zu telefonieren begann. In diesem Moment tauchte Philipp Mühleis auf. Lupino informierte
ihn über den Stand der Dinge. Er merkte, wie Mühleis wieder seinen merkwürdig starren,
fanatischen Blick bekam. Mühleis trat zu der Glastür des Geschäftes und rüttelte
wie ein Besessener daran. Dann schlug er mit der Faust auf den Türrahmen, und plötzlich
fiel etwas platschend ins Wasser. Mühleis hielt verblüfft inne, Lupino glaubte einen
Schlüssel gesehen zu haben, der da ins Wasser gefallen war. Er trat neben Mühleis,
hockte sich hin und sah tatsächlich einen Schlüssel in der trüben Brühe liegen.
Er fischte ihn aus dem Wasser, sah ihn sich an, nahm das Schloss der Tür kurz

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