Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
gibt es auch vom Sculptor keinen Namen und kein Bild. Ich
versuche jetzt herauszufinden, wer die Halle im Hafen gemietet hat. Das ist allerdings
gar nicht so einfach. Da steckt eine Firma dahinter, die auf den Cayman Islands
registriert ist. Du siehst, das ist alles ganz schön kompliziert.«
Lupino trank
seinen Kaffee aus, stand auf und verabschiedete sich mit den Worten:
»Ludwig,
ich halte dich nicht länger auf. Ciao!«
Er verließ
die Questura und ging zu Fuß zum Ospedale San Giovanni e Paolo. Da Philipp Mühleis
immer noch sein Klient war, fühlte er sich verpflichtet, ihn über den neuesten Stand
der Ermittlungen zu informieren. Philipp Mühleis war gestern, genauso wie der kleine
Marco, mit Unterkühlung in dieses Spital eingeliefert worden. Nachdem er sich zu
dessen Zimmer durchgefragt hatte, war er überrascht, einen perfekt gekleideten und
durchaus erholt wirkenden Philipp Mühleis am Gang vor dem Zimmer anzutreffen. Sein
Klient war in Begleitung einer feschen Assistentin der Filmproduktionsfirma, die
ihm frische Kleidung ins Spital gebracht hatte. Als Lupino ihm leise zuflüsterte,
dass er Neuigkeiten hätte, schickte Mühleis die Assistentin voraus an den Drehort.
Heute würde bei dem Ponte di Rialto die letzte Szene des TV-Dreiteilers gedreht
werden. Morgen würden dann die meisten Österreicher und Deutschen abreisen. Nur
er und sein Vater blieben noch ein paar Tage länger hier, um das Produktionsbüro
aufzulösen. Dann fragte er Lupino unvermittelt:
»Also, was
gibt es Neues?«
Lupino erzählte
ihm in kurzen Worten von der Lagerhalle und der Quadriga. Philipp Mühleis wurde
weiß im Gesicht. Dann presste er heraus:
»Dieses
… dieses Machwerk möchte ich unbedingt sehen.«
Lupino stieß
einen leisen Pfiff aus, bevor er antwortete:
»Ob das
Ranieri erlaubt? Ich weiß nicht, ob der Vicequestore beziehungsweise der Untersuchungsrichter
überhaupt jemanden, der nicht mit dem Fall betraut ist, diese Quadriga … dieses…
dieses Machwerk ansehen lässt.«
Ein plötzlicher
Ruck ging durch Philipp Mühleis.
»Jössasna!
Den Marco wollte ich ja noch kurz besuchen. Kommen Sie mit? Ich war schon gestern
Abend bei ihm im Zimmer. Ich sprech’ ja nicht viel Italienisch, trotzdem haben wir
uns sehr gut unterhalten.«
Selbstverständlich
begleitete Lupino ihn. Schließlich war er ja auch neugierig, wie es dem kleinen
Marco ging. Er folgte Mühleis durch ein Gewirr von Gängen, als plötzlich markerschütternde
Schreie erklangen. Mühleis fing zu laufen an, riss drei Zimmer weiter eine Tür auf
und erstarrte. Lupino drängte Mühleis zur Seite und sah einen großen, dicken Mann
vor Marcos Bett knien, der mit einem langen Messer versuchte, auf den schreienden,
sich unter dem Bett versteckenden und dem Messer verzweifelt ausweichenden Marco
einzustechen. In Lupinos Hirn kippte ein Schalter um. Blitzschnell griff er sich
einen Besuchersessel und stürzte sich auf den Mann. Krachend landete der Sessel
auf dem Rücken des Dicken. Ein weiterer Schlag streckte ihn zu Boden. Lupino sprang
auf ihn. Trat in den Unterleib des Dicken. Der heulte auf und stach mit dem Messer
um sich. Lupino wich aus, taumelte. Fiel auf den Rücken. Der Dicke sprang auf. Bekam
von Mühleis einen Fausthieb ins Gesicht verpasst. Er wankte, Mühleis schlug nach.
Traf ihn am Ohr. Lupino rappelte sich auf. Das sah der Dicke. Er machte am Absatz
kehrt und rannte hinaus. Lupino schrie:
»Bleiben
Sie bei Marco! Ich kauf mir dieses Schwein!«
Der Dicke
bahnte sich einer Lawine gleich seinen Weg durch die Menge der Neugierigen und der
herbeieilenden Schwestern und Ärzte. Lupino ihm auf den Fersen. Immer wieder brüllend:
»Fermatelo!
È un assassino! [58] «
Niemand
traute sich jedoch den Dicken, der ein blutiges Messer in der Hand hielt, aufzuhalten.
Die beiden rannten das Stiegenhaus zwei Stockwerke hinunter, durch den Hof des Spitals,
hinaus auf die Fondamenta Nuove. Dort legte gerade ein Ambulanzboot ab. Der Dicke
machte einen gewaltigen Sprung und war auf dem Boot. Er stach wild auf einen Sanitäter
ein. Dann stürzte er sich auf den Fahrer und schnitt ihm die Kehle durch. Mit einem
energischen Ruck riss er ihn hinter dem Steuer hervor, nahm selbst den Platz ein
und gab mächtig Gas. Kurz drehte er sich um und grinste Lupino triumphierend an,
bevor er mit dem gekaperten Boot um die nächste Ecke in den Rio dei Mendicanti verschwand.
Fünfundsechzig
Das Blut pochte in seinen Adern.
Sein Herzschlag raste. Und er gab unbarmherzig
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