Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
lästigen Wind, der alles erschwert hätte.
Ein wunderbarer Tag! Adi Bender war rundum entspannt und zufrieden.
Glücklich
stimmte ihn auch die Aussicht, dass er heute Abend wieder daheim in Wien sein würde
und dort endlich sein sehnlichst vermisstes Wiener Schnitzel verspeisen konnte.
Er hatte seine Mama angerufen, und die hatte ihm versprochen, sobald er gelandet
war, die Schnitzel in die Pfanne zu geben. Bender schmeckte in seinen Gedanken schon
die knusprige Panier, die sich zart gewellt vom Fleisch abhob, und lächelte selig
vor sich hin. Außerdem gab es zu den Schnitzeln Mamas Erdäpfelsalat. Eine Delikatesse!
Jetzt am Vormittag wurde er bereits zubereitet. Mit viel Zwiebel und mit ganz ordinärem
Hesperidenessig, einer billigen Essigvariante, die es nur in Österreich gab und
die dem Erdäpfelsalat eine unvergleichlich würzige Note verlieh. Mein Gott, kann
das Leben schön sein, dachte sich Bender. In Wien war dann auch die Zeit seiner
sexuellen Enthaltsamkeit vorbei. Dieser junge Produktionsassistent, von dem er sich
so viel versprochen hatte, war mit einer Jungschauspielerin durchgebrannt. So ein
Falott! Saukerl! In Wien, so freute sich Bender, würde er nächtens wieder in den
Rathauspark gehen. Dort, wo sich zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang die
schwule Community ein Stelldichein gab. Und überhaupt! Endlich wieder im eigenen
Bett schlafen. In dem von der Mama gewaschenen, gestärkten und gebügelten Bettzeug.
Mein Gott, wie freute er sich auf einen reschen Grünen Veltliner. Ein Viertel Grüner
Veltliner im Henkelglas serviert bei seinem Lieblingsheurigen in Nussdorf. Und dazu
ein dickes Stück Kümmelbraten mit knuspriger Schwarte. Ein Stück, das ordentlich
mit Fett durchzogen war, sodass der Braten, wenn man ihn scharf ansah, zu zittern
begann. Das Wasser lief ihm bei diesen Gedanken im Mund zusammen, und seine Augen
glänzten. Wie ein Kind auf Weihnachten, so freute er sich auf die Rückkehr nach
Wien. Er musste nur noch diese zwei Szenen, diese verdammten zwei Scheißszenen am
Canal Grande abdrehen und dann: Arrivederci Venezia!
Einem Feldherrn
gleich thronte er neben einer der Kameras auf einem Aufbau am Rande des Canal Grande.
Mit unendlichem administrativem Aufwand war es der Produktionsleitung gelungen,
den Canal Grande für diesen Vormittag absperren zu lassen. Einzig die Vaporettos
durften durch die Sperrzone tuckern. Die störten Adi Bender nicht, im Gegenteil.
Wenn bei den zwei Szenen im Hintergrund ein Vaporetto vorbeifuhr, brachte das Lokalkolorit.
Die erste Szene, bei der der weißhaarige Hauptdarsteller mit seiner neuen Liebe
in eine Gondel einstieg, hatten sie relativ flott und problemlos abgedreht. Jetzt
brauchten sie nur mehr die romantische Fahrt am Canal Grande vor dem Ponte di Rialto
zu drehen. Dies würde aus verschiedenen Perspektiven geschehen, unter anderem mit
einer Kamera auf einem Boot, die die Gondel begleiten und die beiden Darsteller
in der Halbtotale drehen würde. Zusätzlich hatten sie oben an der Rialtobrücke eine
Kamera aufgebaut, um die Szene aus der Vogelperspektive aufzunehmen. Und dann gab
es noch die Kamera, die auf eigens verlegten Schienen am Ufer entlang mit der Gondel
mitfuhr. Adi Bender saß da und stützte sich auf den Spazierstock mit dem massiven
silbernen Griff, den er vor ein paar Tagen bei einem Trödler erstanden hatte. Im
Moment nervte ihn so ziemlich alles: die Kameracrews, die ewig lange brauchten,
um drehfertig zu werden, die Schauspieler, die sich heute besonders zickig anstellten,
und die Idioten in den unzähligen Booten, die nicht zur Kenntnis nehmen wollten,
dass der Canal Grande heute gesperrt war. Bender war ungeduldig. Er wollte heim
zu Mamas Erdäpfelsalat. Endlich waren alle so weit, und er konnte das Kommando »Kamera
läuft« geben. Dazu hatte er ein Megafon in der Hand, das seine Stimme über den Canal
Grande schallen ließ. Adi Bender grinste. Ganz schön beeindruckend, dieses Ding.
Sein Grinsen verschwand aber sofort, als er sah, was die beiden Schauspieler im
Boot so trieben. Der Hauptdarsteller putzte sich, eitel wie er war, Wassertropfen
von seinem Sakko, und seine Partnerin sah ihm dabei zu. »So ein Scheiß«, murmelte
Bender und brüllte ins Megafon: »Schnitt! Alle zurück auf Ausgangsposition!« Dann
nahm er das Funkgerät, über das er mit den einzelnen Außenstellen seines Teams kommunizierte,
und knurrte die Assistentin des Aufnahmeleiters, die im Kameraboot neben der Gondel
war, an, dass sie das Funkgerät
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