Qual (German Edition)
zwar an den Karton, und ich erinnerte mich auch an die irgendwie kantige Schrift (die alte Schreibmaschine meiner Frau Tabitha aus College-Tagen, eine unmöglich kleinzukriegende Olivetti-Reiseschreibmaschine), aber ich hatte absolut keine Ahnung, was aus dem Manuskript geworden war, das angeblich in dem Karton liegen sollte. Was wusste ich denn, es konnte durchaus auch weg sein, Baby, für immer verschwunden. 10
War es aber nicht. Marsha, eine meiner zwei unbezahlbaren Assistentinnen, fand es in der Fogler Library. Das Originalmanuskript wollte sie mir nicht anvertrauen (ich, äh, verliere Dinge), aber sie hat’s dann fotokopiert. Ich muss damals
wohl ein praktisch unbrauchbares Farbband benutzt haben, als ich Blaze abfasste, denn die Kopie war kaum zu lesen, und die Anmerkungen auf den Rändern waren kaum mehr als verschwommene Flecken. Trotzdem setzte ich mich mit dem Manuskript hin und begann zu lesen, war bereit, die Peinlichkeiten über mich ergehen zu lassen, die nur ein jüngeres, klugscheißerischeres Selbst abliefern kann.
Aber ich fand, es war ziemlich gut – mit Sicherheit besser als Roadwork (Sprengstoff), das ich zu dem Zeitpunkt für amerikanische Mainstream-Prosa hielt. Es war eben nur kein Noir-Roman. Vielmehr war es der Versuch eines naturalistischen Kriminalromans im Stil der Romane von James M. Cain und Horace McCoy in den dreißiger Jahren. 11 Ich fand, die Rückblenden waren oft besser als die eigentliche Geschichte. Sie erinnerten mich an James T. Farrells Young Lonigan -Trilogie und an das vergessene (aber stilvolle) Gas-House McGinty . Klar, stellenweise war es ziemlich deftig, aber es war ja auch von einem jungen Mann geschrieben (ich war fünfundzwanzig), der überzeugt war, FÜR DIE EWIGKEIT zu schreiben.
Ich glaubte, Blaze könnte ohne große Verlegenheit umgeschrieben und veröffentlicht werden, aber wahrscheinlich war es nicht das Richtige für Hard Case Crime. Es war ja gewissermaßen überhaupt kein Kriminalroman. Ich fand, es könnte eine kleine Tragödie der Unterklasse sein, sofern man beim Umschreiben hart genug ans Werk ging. Zu diesem Zweck wählte ich diesen kategorischen, trockenen Ton, den
die besten Noir-Romane zu haben scheinen, benutzte sogar einen Zeichensatz namens American Typewriter , um mich daran zu erinnern, was ich vorhatte. Ich arbeitete schnell, ohne nach vorn oder zurückzublicken, denn ich wollte ebenfalls den überstürzten Schwung dieser Bücher einfangen (ich denke hier mehr an Jim Thompson und Richard Stark als an Cain, McCoy oder Farrell). Ich dachte, ich mache meine Überarbeitungen am Ende auf dem Ausdruck mit Bleistift, statt sie direkt in den Computer einzugeben, wie es heute meist gemacht wird. Falls das Buch eine Neubelebung sein wollte, dann wollte ich entsprechend vorarbeiten, statt davor zurückzuschrecken. Weiterhin beschloss ich, aus dem Text weitgehend alle Emotionen zu entfernen, da ich wollte, dass das fertige Buch so nackt war wie ein leeres Haus, ohne auch nur einen Läufer auf dem Boden. Meine Mutter hätte gesagt: »Ich wollte sein nacktes Gesicht sehen.« Nur der Leser wird beurteilen können, ob mir dies gelungen ist.
Falls es Sie interessiert (sollte es aber nicht – hoffentlich sind Sie wegen einer guten Geschichte hier, und hoffentlich bekommen Sie die auch), alle Tantiemen oder Nebeneinkünfte aus Blaze werden an The Haven Foundation gehen, eine Stiftung, die ins Leben gerufen wurde, um freiberufliche Künstler zu unterstützen, die gerade eine Pechsträhne haben. 12
Eine letzte Sache noch, denke ich, wo ich Sie gerade so schön am Schlafittchen habe. Ich habe versucht, den zeitlichen Hintergrund von Blaze so vage wie möglich zu halten,
damit es nicht zu altmodisch wirkt. 13 Es war jedoch nicht möglich, alles inzwischen längst überholte Material herauszunehmen, denn manches davon war wichtig für den Plot. 14 Wenn Sie beim zeitlichen Rahmen dieser Geschichte an ein »Amerika vor gar nicht so langer Zeit« denken, dann liegen Sie absolut richtig, würde ich sagen.
Darf ich nun damit schließen, womit ich begonnen habe? Dies ist also ein alter Roman, aber ich glaube, ich habe mich geirrt, was mein anfängliches Urteil betrifft, dass es ein schlechter Roman sei. Sie mögen anderer Meinung sein … aber es ist nicht »Das Mädchen mit den Schwefelhölzern« . Wie immer, lieber treuer Leser, wünsche ich Ihnen alles Gute, bedanke mich dafür, dass Sie diese Geschichte lesen, und hoffe, dass es Ihnen Spaß macht. Ich werde
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