Qual (German Edition)
laut.
Als sie sich auf den Weg machten, flammten die Neonreklamen auf der Straße auf.
»Geht ins Y«, sagte der große Mann, bevor sie das Lokal verließen. »Macht es sofort. Zwei Jungs wie ihr sollten abends nicht in der Stadt rumlaufen.«
»Jawohl, Sir«, sagte John. »Ich hab schon angerufen und uns was reserviert.«
Der große Mann lächelte. »Du bist in Ordnung, Junge. Du bist ziemlich gut. Halt den Bären in deiner Nähe, und
geh hinter ihm, falls jemand kommt und versucht, dich anzumachen. Achte besonders auf Kids, die auffällige Farben tragen. Du weißt schon, Jacken, an denen man ihre Gangzugehörigkeit erkennt.«
»Jawohl, Sir.«
»Passt auf euch auf.«
Das waren seine letzten Worte zu diesem Thema.
Am nächsten Tag fuhren sie U-Bahn, bis der Reiz des Neuen vorbei war, gingen dann ins Kino und anschließend noch mal zum Baseball. Es war spät, als sie wieder aus dem Stadion kamen, fast schon elf, und irgendwer räumte Blaze die Tasche aus, aber Blaze hatte seinen Anteil an ihrem Geld in seine Unterhose gesteckt, so wie Johnny es ihm gesagt hatte, und deshalb bekam der Taschendieb eine große Handvoll Luft. Blaze bekam ihn nicht zu Gesicht, er sah nur seinen Rücken, der in der Menschenmenge verschwand, die durch Ausgang A das Stadion verließ.
Sie blieben noch zwei weitere Tage, sahen sich mehr Filme an und ein Theaterstück, das Blaze nicht verstand, obwohl es Johnny gefiel. Sie hatten Plätze in etwas, das Loge hieß und fünfmal so hoch war wie der oberste Rang im Nordica. In einem Kaufhaus gingen sie in einen Passfotoautomaten und machten Aufnahmen: ein paar von Blaze, ein paar von Johnny, ein paar von ihnen gemeinsam. Auf denen, wo sie beide zu sehen waren, lachten sie. Sie fuhren noch mehr mit der U-Bahn, bis Johnny schließlich übel wurde und er auf seine Turnschuhe kotzte. Dann kam so ein Neger zu ihnen und brüllte sie an, irgendwas über das Ende der Welt. Er schien zu sagen, alles sei allein ihre Schuld, aber Blaze war
nicht ganz sicher. Johnny sagte, der Kerl wäre verrückt. Johnny sagte, es gebe jede Menge Verrückte in der Stadt. »Die vermehren sich hier wie die Flöhe«, sagte Johnny.
Sie hatten immer noch etwas Geld übrig, und es war Johnny, der eine Idee hatte, was sie damit machen könnten. Sie fuhren mit dem Greyhound zurück nach Portland und gaben den Rest ihres Funds für ein Taxi aus. John breitete die restlichen Scheine fächerförmig vor der Nase des erschreckten Fahrers aus – fast fünfzig Dollar in verknitterten Fünfern und Einern, von denen einige nach Clayton Blaisdell juniors Unterhose rochen – und sagte ihm, sie wollten zum Hetton House in Cumberland.
Der Taxifahrer nahm die Fuhre an. Und um fünf nach zwei an einem sonnigen Spätsommernachmittag hielten sie vor dem Haupteingang. John Cheltzman ging ein halbes Dutzend Schritte die Zufahrt hinauf zu dem tristen Backsteinhaufen und brach ohnmächtig zusammen. Er hatte rheumatisches Fieber. Zwei Jahre später war er tot.
13
ALS BLAZE DAS BABY ENDLICH in der Hütte hatte, schrie Joe sich bereits die Seele aus dem Leib. Blaze starrte ihn verwundert an. Er war wütend! Röte zog sich über Wangen und Stirn und sogar über den Rücken seiner winzigen Nase. Die Augen hatte er zugekniffen. Seine Fäuste ruderten in winzigen wilden Kreisen in der Luft.
Blaze überkam eine jähe Panik. Was, wenn das Kind krank war? Was, wenn es die Grippe hatte oder so? Kinder fingen sich ständig irgendwas ein. Manchmal starben sie sogar daran. Und mit ihm zum Arzt gehen konnte er ja wohl schlecht. Was wusste er denn überhaupt von Kindern? Er war doch nur ein Dummkopf. Er konnte doch kaum auf sich selbst aufpassen.
Plötzlich überkam ihn der unbändige Drang, den Jungen wieder raus zum Auto zu bringen. Ihn nach Portland zu fahren und jemandem vor die Tür zu legen.
»George!«, schrie er laut. »George, was soll ich tun?«
Er hatte Angst, George wäre schon wieder fort, doch George antwortete aus dem Bad. »Gib ihm zu essen, füttere ihn. Gib ihm was aus diesen Gläschen.«
Blaze stürmte ins Schlafzimmer. Er zerrte einen der Kartons unter dem Bett hervor, riss ihn auf und nahm das erstbeste Glas heraus. Damit kehrte er in die Küche zurück. Er suchte sich einen Löffel, stellte das Gläschen auf den Tisch
neben den Weidenkorb und öffnete den Deckel. Was drin war, sah schrecklich aus, wie Kotze. Vielleicht war es verdorben. Er schnupperte besorgt daran. Es roch ganz okay. Es roch nach Erbsen. Das war also in
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