Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
Vom Netzwerk:

    Möglich, dass sich sein Körper für einen Moment angespannt hatte, denn nun wandte Joe sich mit einem seltsam fragenden Gesichtsausdruck à la Was hast du denn, Kumpel? zu ihm um. Blaze bekam das kaum mit. Denn die Sache war ja … jetzt war er George. Und das bedeutete, dass ein Teil von ihm …
    Wieder schreckte er davor zurück. Aber jetzt fand sein aufgewühlter Geist etwas anderes, worauf er sich stürzen konnte.
    Wenn er irgendwohin ging, dann ging George ebenfalls dorthin. Wenn er jetzt George war, dann musste das auch so sein. A führt zu B, schlicht und einfach, hätte Johnny Cheltzman gesagt.
    Wenn er ging, dann ging auch George .
    Was bedeutete, dass es überhaupt nicht in Georges Macht stand, Joe irgendwie zu verletzen, egal, wie gern auch immer er das vielleicht tun würde.
    Irgendetwas in ihm löste sich. Die Vorstellung, das Baby allein zu lassen, gefiel ihm immer noch nicht, aber besser, ihn allein zu lassen als bei jemandem, der ihm etwas antun könnte … und außerdem, er musste es tun. Es gab niemanden sonst.
    Aber eine Verkleidung, die könnte er todsicher gut gebrauchen, wo sie doch jetzt die Zeichnung von ihm hatten und alles. So was wie einen Nylonstrumpf, nur eben was Natürliches. Aber was?
    Ihm kam eine Idee. Sie kam nicht, wie Ideen normalerweise kommen, also wie der Blitz, sondern bildete sich ganz
langsam. Sie stieg in seinem Verstand auf wie eine Luftblase, die in einer Flüssigkeit, so dick wie Schlamm, langsam an die Oberfläche drängt.
    Er setzte Joe wieder auf den Boden und ging ins Schlafzimmer. Er legte Schere und Handtuch zurecht. Dann holte er Georges Elektrorasierer aus dem Arzneischränkchen, wo er, vom Kabel umwickelt, all die Monate geschlafen hatte.
    Er schnitt seine Haare in großen, ungleichmäßigen Büscheln ab, schnitt, bis nur noch ein paar stoppelige Stellen übrig waren. Dann nahm er den Rasierer und raspelte auch noch den Rest weg. Er bewegte den Apparat immer wieder vor und zurück, bis er in seiner Hand ganz heiß und sein kahl rasierter Skalp durch die Reizung ganz rosa geworden war.
    Neugierig betrachtete er sein Spiegelbild. Die Delle in seiner Stirn trat deutlicher hervor als je zuvor, seit Jahren zum ersten Mal völlig unbedeckt, und es war schon ein ziemlich schrecklicher Anblick – die Delle sah aus, als wäre sie tief genug, um eine Tasse Kaffee aufzunehmen, wenn er auf dem Rücken lag –, aber davon abgesehen fand Blaze nicht, dass er große Ähnlichkeit mit dem irren Kidnapper auf der Polizeizeichnung hatte. Er sah aus wie so ein Ausländertyp aus Deutschland oder Berlin oder so. Aber seine Augen, die waren immer noch dieselben. Was, wenn seine Augen ihn verrieten?
    »George hat ’ne Sonnenbrille«, sagte er. »Ist doch ein Knaller … oder?«
    Vage kam ihm in den Sinn, dass er sich dadurch vielleicht eher noch verdächtiger machte, aber bestimmt war das so in
Ordnung. Was blieb ihm denn sonst schon übrig? Er konnte nichts dagegen tun, dass er zwei Meter irgendwas groß war. Er konnte nur versuchen, es so hinzukriegen, dass sein Aussehen für ihn statt gegen ihn arbeitete.
    Ganz sicher war ihm nicht bewusst, dass er eine erheblich bessere Verkleidung zuwege gebracht hatte, als George es je vermocht hätte, und genauso wenig war ihm bewusst, dass George jetzt die Schöpfung eines Verstandes war, der unter der ausgebrannten Oberfläche von Blödheit auf fiebrigen, halb verrückten Hochtouren lief. Jahrelang hatte er sich selbst als einen Idioten betrachtet, hatte dies schließlich ebenso als Teil seines Lebens hingenommen wie die Delle in seiner Stirn. Und doch setzte unterhalb der ausgebrannten Oberfläche etwas seine Arbeit fort. Es arbeitete mit dem tödlichen Instinkt alles Lebendigen – dem von Maulwürfen, Würmern, Mikroben – unter der Oberfläche einer brandgerodeten Weide. Dies war der Teil, der sich an alles erinnerte. An jede Verletzung, jede Grausamkeit, an alle Qualen, die die Welt ihm bereitet hatte.
     
    Er marschierte in recht ansehnlichem Tempo eine Nebenstraße von Apex entlang, als ein alter, völlig überladener Holztransporter keuchend neben ihm auftauchte. Der Mann am Steuer war grauhaarig und trug ein Thermo-Unterhemd unter einer karierten Wolljacke.
    »Spring rauf!«, brüllte er.
    Blaze schwang sich aufs Trittbrett und kletterte dann ins Führerhaus. Bedankte sich. Der Fahrer nickte und sagte: »Fahre nach Westbrook.« Blaze nickte zurück und gab sein Okay mit gehobenem Daumen. Der Fahrer knallte den Gang
rein, und

Weitere Kostenlose Bücher