Qual (German Edition)
war, und kurz darauf begann es zu schneien.
18
IN DEM SOMMER NACH ihrem Boston-Abenteuer zogen Blaze und Johnny Cheltzman zusammen mit ein paar anderen Jungs aus dem Hetton House zum Blaubeerenpflücken los. Der Mann, der sie dafür engagierte, Harry Bluenote, war ein aufrechter Mann. Nicht in diesem verächtlichen Sinn, wie Blaze später George dieses Wort benutzen hören würde, sondern in der besten Pfadfindertradition eines Lord Baden-Powell. Ihm gehörten zwanzig Hektar erstklassiges Blaubeerland in West Harlow, das er jedes zweite Frühjahr brandrodete. Jeden Juli beschäftigte er einen Trupp aus ungefähr zwei Dutzend jungen Außenseitern, die sein Land abernteten. Für ihn sprang nicht mehr dabei heraus als das bisschen Geld, das jeder kleine Bauer mit einer für den Verkauf bestimmten Ernte verdienen konnte. Er hätte nur Jungs aus dem HH und Mädchen aus dem Wiscassett Home for Troubled Girls beschäftigen und ihnen drei Cent pro Kilo zahlen können; sie hätten es genommen und wären obendrein noch froh gewesen, an der frischen Luft zu sein. Stattdessen gab er ihnen aber die sieben, die von den Jugendlichen aus der Gegend verlangt wurden und die sie auch bekamen. Das Geld für den Bus zu den Feldern und wieder zurück kam aus seiner eigenen Tasche.
Er war ein großer, dürrer Yankee mit einem faltigen Gesicht und hellen Augen. Wenn man zu lange in diese Augen
schaute, gelangte man am Ende zu der Überzeugung, dass er verrückt war. Er gehörte weder Grange noch einem anderen Bauernverband an. Sie hätten ihn dort ohnehin nicht genommen. Nicht einen Mann, der Kriminelle einstellte, die seine Beeren pflückten. Und sie waren Kriminelle, verflucht, ob sie nun sechzehn waren oder einundsechzig. Sie kamen in eine anständige kleine Stadt, und anständige Leute meinten, sie müssten nun ihre Türen abschließen. Sie müssten die Augen aufhalten nach merkwürdigen Jugendlichen, die auf den Straßen herumstreiften. Mädchen und Jungs. Wenn man die zusammensteckte – kriminelle Jungs und kriminelle Mädchen – , konnte nichts als Sodom und Gomorrha dabei rauskommen. Das sagte jeder. Es war einfach nicht richtig. Besonders wenn man gerade versuchte, seine eigenen Kleinen zu anständigen Menschen großzuziehen.
Die Saison dauerte von der zweiten Woche im Juli bis in die dritte oder vierte Augustwoche. Bluenote hatte zehn Blockhütten unten am Royal River bauen lassen, der genau mitten durch seinen Grund und Boden lief. Es gab sechs Hütten für Jungs und vier in einer weiteren Gruppe ein Stück entfernt für die Mädchen. In Anspielung auf ihre jeweilige Lage zum Fluss hießen die Unterkünfte der Jungen in der Nähe der Stromschnellen Riffle Cabins und die der Mädchen an der Biegung des Flusses Bend Cabins. Einer von Bluenotes Söhnen – Douglas – wohnte bei den Jungs. Jedes Jahr im Juni suchte Bluenote per Annonce eine Frau, die in den Bend Cabins wohnen und gleichzeitig »Camp-Mutter« und Köchin sein konnte. Er bezahlte sie gut, und auch dieses Geld kam aus seiner eigenen Tasche.
Die ganze skandalöse Geschichte wurde in einer Sitzung des Stadtrates zum Thema, als in einem Jahr die Southwest-Bend-Koalition
eine steuerliche Neuveranlagung für Bluenotes Besitz durchzubringen versuchte. Die Idee dahinter war wohl, seine Gewinnspanne so weit zu verringern, dass es seine roten Wohlfahrtsprogramme zunichtemachte.
Bluenote sagte bis kurz vor Ende der Debatte nichts. Sein Junge Dougie und zwei oder drei Freunde aus seinem Ende der Stadt hatten vehement seine Position vertreten. Dann, unmittelbar bevor der Sitzungsleiter die Diskussion schloss, erhob er sich und bat um das Wort. Das ihm, widerwillig, auch erteilt wurde.
Er sagte: »Es gibt keinen Einzigen unter euch, der irgendetwas während der Erntezeit verloren hat. Es gab nie auch nur einen einzigen Autodiebstahl oder Einbruch, es wurde nie eine Scheune in Brand gesetzt. Nicht einmal ein Suppenlöffel wurde gestohlen. Ich will diesen Kindern nur zeigen, was einem ein gutes, anständiges Leben einbringen kann. Was sie damit anfangen, nachdem sie es gesehen haben, ist allein ihre Angelegenheit. Ist von euch noch nie einer im Schlamm stecken geblieben und musste angeschoben werden? Ich werde euch nicht fragen, wie ihr diesen Antrag unterstützen und euch dann immer noch Christenmenschen nennen könnt, denn einer von euch wird garantiert irgendeine Antwort aus der Heiliger-Joe-mach’s-auf-meine-Art-Bibel, wie ich sie nenne, finden. Aber, heiliger Kuckuck!
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