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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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falls ihr während der Nacht kalt werden sollte. Anne genoss all das. Auf ihre Art verliebte sie sich in Blaze. Für den Rest der Beerenernte holten sie und er
das Wasser für die Hütten der Mädchen und Jungen, und niemand verlor je ein Wort darüber. Es hätte sich auch keiner getraut.
     
    Am Abend, bevor sie zum Hetton House zurückfuhren, fragte Harry Bluenote Blaze, ob er nach dem Abendessen vielleicht noch kurz bleiben könnte. Blaze sagte, klar, aber er begann sich bereits unwohl zu fühlen. Sein erster Gedanke war, dass Mr. Bluenote irgendwie dahintergekommen war, was er und Anne unten am Brunnen machten, und dass er nun sauer war. Er war traurig deswegen, denn er mochte Mr. Bluenote.
    Als alle anderen fort waren, steckte Bluenote sich eine Zigarre an und ging zweimal um den abgeräumten Esstisch. Er hustete. Er zerzauste sein ohnehin schon zerzaustes Haar. Dann bellte er beinahe: »Hör zu, willst du bleiben?«
    Blaze starrte ihn mit offenem Mund an, war zunächst nicht in der Lage, die Kluft zu überbrücken zwischen dem, was er geglaubt hatte, das Mr. Bluenote sagen würde, und dem, was er tatsächlich gesagt hatte .
    »Und? Willst du?«
    »Ja«, brachte Blaze heraus. »Ja, klar. Ich … klar.«
    »Gut«, sagte Bluenote und wirkte erleichtert. »Das Hetton House ist nämlich nichts für einen Jungen wie dich. Du bist ein guter Junge, aber man muss dich an der Hand nehmen. Du gibst dir gottverdammt Mühe, aber …« Er deutete auf Blazes Kopf. »Wie ist das passiert?«
    Blazes Hand zuckte sofort zu der tief eingedrückten Delle. Er wurde rot. »Ist schrecklich, stimmt’s? Anzusehen, meine ich. Himmel.«
    »Tja, hübsch ist es nicht, aber ich hab schon Schlimmeres gesehen.« Bluenote ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Wie ist es passiert?«
    »Mein Dad hat mich die Treppe runtergeschmissen. Er hatte einen Kater oder irgendwas. Ich kann mich nicht besonders gut erinnern. Jedenfalls …« Er zuckte die Achseln. »Das ist alles.«
    »Das ist alles, ja? Tja, schätze, es hat wohl gereicht.« Er stand wieder auf, ging zum Wasserkühler in der Ecke, zog sich einen Pappbecher mit Wasser. »Ich war heute beim Arzt – ich hab es immer wieder aufgeschoben, aber ich kriege manchmal dieses Flattern –, und er hat gesagt, ich bin gesund. Da war ich ganz schön erleichtert.« Er trank sein Wasser, knüllte den Becher zusammen und warf ihn in den Mülleimer. »Man wird eben älter, so ist das. Davon weißt du noch nichts, aber das kommt schon noch. Man wird älter, und das ganze Leben beginnt einem allmählich wie ein Traum vorzukommen, den man während eines Nickerchens am Nachmittag hatte. Verstehst du?«
    »Klar«, sagte Blaze. Er hatte nicht ein einziges Wort mitbekommen. Hier bei Mr. Bluenote leben! Es begann ihm erst allmählich zu dämmern, was das bedeuten könnte.
    »Ich wollte mich nur vergewissern, dass ich mich dir gegenüber richtig verhalte, wenn ich dich aufnehme«, sagte Bluenote. Er deutete mit dem Daumen auf das Gemälde der Frau an der Wand. » Sie mochte Jungs. Sie hat mir drei geschenkt und ist bei der Geburt des dritten gestorben. Dougie ist der Mittlere. Der Älteste ist oben in Washington, baut Flugzeuge für Boeing. Der Jüngste ist vor vier Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Das war sehr
traurig, aber ich glaube, er ist jetzt bei seiner Ma. Schon möglich, dass das eine ziemlich blöde Vorstellung ist, aber wir suchen uns Trost, wo wir ihn finden können. Nicht wahr, Blaze?«
    »Jawohl, Sir«, sagte Blaze. Er dachte an Anne am Brunnen. Anne im Mondschein. Dann sah er die Tränen in Mr. Bluenotes Augen. Sie erschreckten ihn und machten ihm auch ein klein wenig Angst.
    »Geh schon«, sagte Mr. Bluenote. »Und treib dich nicht zu lange am Brunnen herum, hörst du?«
     
    Er legte trotzdem am Brunnen eine Pause ein. Er erzähle Anne, was passiert war, und sie nickte. Dann fing auch sie an zu weinen.
    »Was ist los, Annie?«, fragte er sie. »Was ist los, mein Liebling?«
    »Nichts«, sagte sie. »Holst du mir Wasser rauf, ja? Ich hab die Eimer mitgebracht.«
    Er holte das Wasser hoch. Sie schaute ihm aufmerksam zu.
     
    Am letzten Tag war das Pflücken um ein Uhr vorbei, und selbst Blaze konnte sehen, dass diese letzte Ausbeute nicht besonders groß war. Die Beerenzeit war vorbei.
    Er fuhr jetzt immer. Er saß im Führerhaus des Trucks, der Motor schnurrte im Leerlauf. Harry Bluenote rief: »Okay, Leute! Rauf auf den Laster! Blaze wird uns zurückfahren! Zieht euch um, und dann

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