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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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damit?«
    Aber niemand wagte es, ihn zu berühren.
     
    Anne Bradstays Baby kam achteinhalb Monate später zur Welt. Es war ein Mordsbursche – viertausendachthundert Gramm schwer. Er wurde zur Adoption freigegeben und praktisch sofort von einem kinderlosen Ehepaar namens
Wyatt aus Saco aufgenommen. Aus Klein Bradstay wurde Rufus Wyatt. Mit siebzehn wurde er von seiner Highschool-Mannschaft zum All-State-Tackle ernannt. Später ging er auf die Boston University, um dort Literaturwissenschaft zu studieren. Zu seinen Lieblingsautoren zählten Shelley, Keats und der amerikanische Dichter James Dickey.

19
    DIE DUNKELHEIT KAM FRÜH und war eingehüllt in Schnee. Um fünf Uhr war das flackernde Feuer im Kamin das einzige Licht im Büro des Rektors. Joe schlief fest, aber Blaze machte sich Sorgen um ihn. Er schien etwas zu schnell zu atmen, seine Nase lief, und aus seiner Brust kam ein leicht rasselndes Geräusch. Leuchtend rote Flecken glühten auf beiden Wangen.
    In dem Babybuch stand, Fieber sei eine häufige Begleiterscheinung des Zahnens, und manchmal auch einer Erkältung. Es könne ein Erkältungssymptom sein. Erkältung genügte Blaze (er hatte keinen Schimmer, was Symptome waren). Das Buch riet einfach, das Baby warm zu halten. Der Schreiberling hatte gut reden; was solle Blaze denn tun, wenn Joe aufwachte und herumkrabbeln wollte?
    Er musste jetzt die Gerards anrufen, noch heute Abend. Sie konnten das Geld bei diesem Schneesturm nicht aus einem Flugzeug abwerfen, aber morgen Abend war der Sturm sicher vorbei. Er würde das Geld bekommen und zusätzlich Joe behalten. Scheiß doch auf diese reichen Republikaner. Er und Joe waren jetzt füreinander da. Sie würden entkommen. Irgendwie.
    Er starrte ins Feuer und versank in einem Tagtraum. Er sah, wie er die Signalfackeln auf einer Lichtung entzündet. Jetzt tauchen die Positionslichter eines kleinen Flugzeugs
am Himmel auf. Der Motor summt wie eine Wespe. Jetzt korrigiert der Pilot leicht seinen Kurs und hält direkt auf die Leuchtsignale zu, die brennen wie auf einem Geburtstagskuchen. Irgendwas Weißes taucht am Himmel auf – ein Fallschirm mit einem daran befestigten kleinen Koffer!
    Dann ist er wieder zurück in der Hütte. Er öffnet den Koffer. Voller Kohle. Jedes Bündel ordentlich mit einer Banderole zusammengehalten. Blaze zählt. Es ist alles da.
    Als Nächstes ist er auf der kleinen Insel Acapulco (die seines Wissens zu den Bahamas gehört, auch wenn er vielleicht in diesem Punkt danebenliegen könnte). Er hat sich eine Hütte auf einem hoch gelegenen Landvorsprung gekauft, von wo aus man auf die endlosen ausrollenden Brecher schauen konnte. Es gibt zwei Schlafzimmer, ein großes und ein kleines. Hinter der Hütte gibt es zwei Hängematten, eine große und eine kleine.
    Zeit vergeht. Vielleicht fünf Jahre. Ein Kind kommt den Strand heraufgestapft – ein Strand, der im Sonnenlicht schimmert wie ein feuchter Muskel. Der Junge ist sonnengebräunt. Er hat langes schwarzes Haar wie ein Indianerkrieger. Er winkt. Blaze winkt zurück.
     
    Wieder meinte Blaze, den Klang flüchtigen Lachens zu hören. Er drehte sich unvermittelt um. Da war niemand.
    Aber der Tagtraum war zerstört. Er stand auf und stieß seine Arme in die Jacke. Er setzte sich und zog seine Stiefel an. Er würde dafür sorgen, dass es Wahrheit wurde. Seine Füße und sein Kopf waren bereit, und wenn er diesen Punkt erreichte, dann machte er immer genau das, was er sich vorgenommen
hatte. Darauf war er stolz. Es war das Einzige, worauf er stolz sein konnte.
    Er sah noch einmal kurz nach dem Baby, ging dann hinaus. Er zog die Bürotür hinter sich zu und polterte die Treppe runter. Georges Waffe steckte unter seinem Hosenbund, und diesmal war sie geladen.
     
    Der Wind fegte scharf über den alten Spielplatz und brachte ihn kurz ins Schwanken, bevor er sich ihm entgegenstellte. Schnee schlug ihm ins Gesicht, stach in Wangen und Stirn. Die Baumwipfel beugten sich in ständig wechselnde Richtungen. Auf den verkrusteten Schichten alten Schnees bildeten sich neue Verwehungen, manche waren bereits knapp einen Meter tief. Er musste sich jetzt wirklich keine Sorgen mehr machen wegen der Spuren, die er beim Reinfahren hinterlassen hatte.
    Er marschierte zu dem Maschendrahtzaun, wünschte sich dabei, Schneeschuhe zu haben, und kletterte unbeholfen auf die andere Seite. Er landete bis zu den Oberschenkeln im Schnee und kämpfte sich in nördlicher Richtung vor, machte sich quer über das Land auf den Weg

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