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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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halten werden. Er wird nicht so krebsrot werden wie ich. Joes Augenlider hatten eine schwache, aber erkennbare Blaufärbung. Dieses gleiche Blau setzte sich in winzigen Bögen unterhalb seiner geschlossenen Augen fort. Seine Lippen waren rosig und leicht geschürzt.
    Blaze nahm eine Hand des Babys und hielt sie. Die Finger rollten sich sofort um seinen kleinen Finger. Das werden mal große Hände, dachte Blaze. Irgendwann halten sie vielleicht einen Zimmermannshammer oder einen Schraubenschlüssel. Vielleicht sogar einen Künstlerpinsel.
    Der Gedanke an all die Möglichkeiten, die diesem Kind noch offenstanden, ließ ihn zittern. Er spürte den Drang, das Baby an sich zu reißen. Und warum? Nur um zu sehen, wie sich Joes Augen öffneten und er ihn ansah. Wer konnte schon sagen, was diese Augen in den vor ihnen liegenden Jahren noch alles sehen würden? Jetzt waren sie noch geschlossen. Joe war geschlossen. Er war wie ein wunderbares, schreckliches Buch, in das eine Geschichte mit unsichtbarer Tinte geschrieben war. Blaze begriff, dass ihn das Geld nicht mehr interessierte, nicht wirklich. Was ihm wirklich etwas bedeutete, war, zu sehen, welche Worte auf all diesen Seiten noch erscheinen würden. Welche Bilder.
    Er küsste die glatte Haut direkt über der Schramme. Dann schlug er seine Decken zurück und ging zum Fenster. Es schneite noch immer; Luft und Erde waren weiß auf weiß. Er vermutete, dass während der Nacht gut zwanzig Zentimeter runtergekommen waren. Und es war noch nicht vorbei.
    Sie haben dich schon fast, Blaze.
    Er wirbelte herum. »George?«, rief er leise. »Bist du das, George?«
    Er war’s nicht. Das war nur seinem eigenen Kopf entsprungen. Und warum, um Himmels willen, sollte ihm ein solcher Gedanke kommen?
    Er schaute wieder aus dem Fenster. In tiefen Gedanken runzelte er seine verstümmelte Augenbraue. Sie wussten, wer er war. Er war so dumm gewesen, dieser Telefonistin seinen richtigen Namen zu geben, einschließlich des Juniors am Ende. Er hatte gedacht, er wäre clever gewesen, aber er war einfach nur blöd. Wieder einmal. Blödheit war ein Gefängnis, aus dem sie einen nie rausließen, darin sitzt man lebenslänglich.
    George hätte ihn sicher wieder wiehernd ausgelacht. George hätte gesagt: Ich wette, die haben direkt losgelegt und deine Akten ausgegraben. Clayton Blaisdells Greatest Hits. Schon richtig. Sie würden über den Schwindel mit dem Jesus-Wunder lesen, über seinen Aufenthalt in der South Portland Correctional, seine Zeit im HH …
    Und dann war es, als schlüge ein Meteor in seine bekümmerte Seele ein: Er war hier im HH!
    Blaze sah sich verzweifelt um, als ob er sich noch einmal vergewissern wollte.
    Sie haben dich schon fast, Blaze.
    Er fühlte sich wieder gejagt, gefangen in einem schnell enger werdenden Kreis. Er dachte an das weiße Verhörzimmer, daran, auf die Toilette zu müssen, und daran, wie sie einen mit Fragen bombardiert hatten, ohne einem auch die Zeit zum Antworten zu geben. Und diesmal würde es keine kleine Verhandlung in einem halb leeren Gerichtssaal sein. Dieses Mal würde es einen richtigen Zirkus geben, voll besetzt bis auf den letzten Platz. Dann lebenslänglich. Und Einzelhaft, wenn er wieder durchdrehte.
    All diese Gedanken erfüllten ihn mit panischer Angst, waren aber noch bei Weitem nicht das Schlimmste. Das Allerschlimmste war der Gedanke, wie sie mit gezückten Waffen hereinstürmen und ihm das Baby wieder wegnehmen würden. Ihn wieder kidnappen würden. Seinen Joe.
    Obwohl es in dem Raum eiskalt war, traten ihm dicke Schweißperlen auf die Stirn.
    Du armer Trottel. Er wird aufwachsen und dich abgrundtief hassen. Dafür werden sie schon sorgen.
    Das war wieder nicht George. Das waren seine Gedanken – und es stimmte.
    Er begann sein Gehirn wild zu martern, um einen Plan zu schmieden. Es musste einen Ort geben, an den er gehen konnte. Es musste ihn geben.
    Joe begann sich zu regen, wurde langsam wach, aber Blaze hörte ihn noch nicht einmal. Einen Ort, an den er gehen konnte. Einen sicheren Ort. Einen Ort, den selbst George nicht kannte, einen Ort …
    Plötzlich stand er ihm klar vor Augen.
    Er drehte sich zum Bett. Joe hatte die Augen geöffnet. Als er Blaze sah, grinste er ihn an und steckte seinen Daumen in den Mund – eine Geste, die fast unbekümmert schien.
    »Musst was essen, Joe. Flott. Wir sind auf der Flucht, aber ich habe ’ne Idee.«
    Er fütterte Joe mit Rindfleisch-Käse-Püree. Sonst verschlang Joe ein ganzes Glas von diesem

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