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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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umsonst. Sie war wütend, aber nicht überrascht. Sie sagte, so würde es eben in den Networks zugehen. Und sie war Ihnen eigentlich gar nicht böse. Sie wäre sogar bereit, alles an Sie weiterzugeben, was sie herausgefunden hatte, wenn Sie ihr die Kosten aus Ihrem Recherchebudget erstatten und Vertraulichkeit wahren.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?« fragte ich.
    »Ich habe ihr mein Einverständnis gegeben, daß sie Ihnen alles über die AK erzählt. Was glauben Sie wohl, warum ich mich am Flughafen freiwillig zum Narren gemacht habe? Wenn ich gewußt hätte, daß Sie gar nicht informiert sind, hätte ich bestimmt nicht auf diese Weise Kontakt zu Ihnen aufgenommen.«
    »Richtig.« Zumindest das ergab Sinn. »Aber warum hat sie Ihnen gesagt, sie würde mich einweihen, um es sich anschließend anders zu überlegen? Ich habe nichts mehr von ihr gehört. Sie hat nicht auf meine Anrufe geantwortet…«
    Kuwale starrte mich an. Hie wirkte traurig und beschämt, aber mit einem Mal auch gequält und aufrichtig.
    »Und auf meine antwortet sie auch nicht.«
    Wir verließen die Straßenbahn am Rand eines kleinen Industriekomplexes und liefen dann nach Südosten. Falls wir professionell observiert wurden, hätte uns diese unablässige Bewegung überhaupt nichts genutzt, aber wenn Kuwale glaubte, es sei sicherer für uns, wenn wir offen reden wollten, war ich bereit, ihm diesen Gefallen zu tun.
    Ich ging nicht einen Moment lang davon aus, daß Sarah etwas zugestoßen war, denn sie hatte genügend Gründe, uns beide nie wiedersehen zu wollen – ein Wunsch, zu dessen Erfüllung sie nur ein paar Worte an ihre Kommunikationssoftware richten mußte. Sie mochte vorübergehend die großmütige Phantasievorstellung gehegt haben, mich ins Bild zu setzen, trotz allem, was ich ihr angetan hatte, aus reiner journalistischer Solidarität – wie wir alle im Interesse von Mosalas geschichtsträchtiger Tat, die unbedingt dokumentiert werden mußte, heldenhaft an einem Strick zogen – doch am nächsten Morgen hatte sie diese Idee bestimmt wieder verworfen, nachdem der chemische Tröster seine Wirkung verloren hatte.
    Außerdem hatte ich noch einmal genauer über die Gefahr nachgedacht, in der Mosala angeblich schwebte.
    Ich drehte mich zu Kuwale um. »Wenn tatsächlich aus biotechnischen Interessen ein Attentat auf Violet Mosala verübt werden sollte, wäre sie im nächsten Augenblick eine Märtyrerin der technolibération. Und als Leiche würde sie sich immer noch gut zum Maskottchen eignen, zum ausgezeichneten Vorwand für die Regierung von Südafrika, um eine Anti-Boykott-Revolte in der UNO anzuzetteln.«
    »Vielleicht«, gestand hie ein. »Wenn die Schlagzeilen die richtige Geschichte erzählen.«
    »Was sollte verhindern, daß die Geschichte ans Tageslicht kommt? Mosalas Anhänger würden sich wohl kaum still verhalten.«
    Kuwale lächelte grimmig. »Wissen Sie, wer den größten Anteil der Medien besitzt?«
    »Ja, das weiß ich, also hören Sie mit dem paranoiden Unsinn auf. Einhundert verschiedenen Gruppen, eintausend verschiedenen Personen…«
    »Einhundert verschiedenen Gruppen, von denen die meisten gleichzeitig große Biotechnik-Konzerne sind. Eintausend verschiedenen Personen, von denen die meisten gleichzeitig im Vorstand mindestens einer wichtigen Firma sitzen, von AgroGenesis bis zu Vivo-Tech.«
    »Das ist wahr, aber sie vertreten auch andere gesellschaftliche und kommerzielle Interessen. Es ist nicht so einfach, wie es aus Ihrem Mund klingt.«
    Wir waren jetzt ganz allein auf einem weiten Streifen aus flachem, aber ungepflastertem und noch unbebautem Riff-Fels. In der Ferne standen ein paar kleine Baumaschinen, aber sie schienen nicht in Aktion zu sein. Munroe hatte mir gesagt, daß auf Stateless niemand Land besitzen konnte – genausowenig wie jemandem die Luft gehören konnte – aber trotzdem wurde niemand daran gehindert, seinen Claim abzustecken und große Teile des Bodens für sich zu beanspruchen. Daß man freiwillig darauf verzichtete, diese Leute zu stoppen, kam mir nicht ganz geheuer vor. Es erschien mir wie eine unnatürliche Übung in Zurückhaltung, ein labiler Konsens, der jeden Augenblick zusammenbrechen mußte, worauf es zu einer lawinenartigen Landnahme käme, bis es de facto doch Grundbesitz gab und einen wütenden, vermutlich gewalttätigen Aufstand all jener, die nicht als erste zugegriffen hatten.
    Trotzdem… Warum sollte jemand den weiten Weg hierher kommen, nur um Herr der Fliegen zu spielen? Keine

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